Renzo Piano
DIE MESSEMASCHINE
&‘ tellt Euch einen urbanen Mikrokos- villons unterteilt: Zu den Ausstellungsflä- decke untergebracht. Vom Dach her ver-
.# mos vor, eine miniaturisierte Stadt, chen gelangt man über eine zentrale über- sorgen 56 Zentralen, die von einem Com-
dachte Straße, 600 m lang und 48 m breit puter koordiniert werden, wie 56 schla-
(zweimal so groß wie die Piazza Navona), gende Herzen den gesamten Innenraum
die eine gut ausgestattete Achse bildet;die mit Ventilatoren und Air-Conditioning.
Straße und die Ausstellungsflächen sind Alles hier ist beweglich, flexibel und
auf dem gleichen Niveau untergebracht entwickelbar: die Höhe der Pavillons
und haben voneinander unabhängige Ein- kann von 10 auf 13 m geändert, die Ober-
gänge, wodurch sich vielfältige Möglich- flächen verändert, umgestaltet und sogar
keiten der Ausgestaltung ergeben: eine versetzt und die „Serviceinseln“ können
große Veranstaltung, die sich auf 8 Pavil- von Restaurants zu Informationsbüros ge-
lons erstreckt oder mehrere kleinere, ganz macht werden. Effizienz plus Spektakel ist
' und gar unabhängig gegliederte Veran- die Formel für dieses Messe-Happening.
-— staltungen. Denn eine Messe ist auch Spektakel; sie
muß eine klare Physiognomie besitzen,
die sich im Schatten einer riesigen Pergola D ie große geradlinige Straße istsoet- die sofort wiedererkennbar und in der
ausbreitet: eine Dachkonstruktion, die was wie das Rückgrat des Gebäu- Erinnerung der Menschen fest eingeprägt
die utopischen Entwürfe Frei Otto’s an- des: sein deutlichster Bezugspunkt (ent- ist. Dies sind zwei Gründe, warum die
ruft — mit jenen Räumen, die soweit das lang der Strecke liegen die Serviceräume), Messemaschine in einen weitläufigen na-
Auge reicht von schwebenden Dachhäu- Sie ist aber auch ein Element der Faszina-
ten, lichtdurchlässigen und gewagt er- tion, ein Crystal Palace: ein emotionales
scheinenden Segelkonstruktionen über- Ambiente aus Licht, Sonne, Wasser, na-
deckt werden. Das ist die Messe-Stadt: ein türlichen Abkürzungen und künstlichen
großes Schmetterlingsdach aus 12.000 py- Luftbewegungen („Pulsschläge der Luft“)
ramidenförmigen Einzelstücken aus Be- -— mit all den Eigenschaften des offenen,
ton; das über einer Fläche von 200.000qm aber auch den Qualitäten des geschlosse-
hängt, etwa 30 aneinandergereihten Fuß- nen Raums, geschützt vor Kälte und Hit-
ballfeldern. Eine einfache und gleichzeitig ze, ein Raum, worin man sich auch unteı
komplizierte Idee: Kompliziert, weil Du den unterschiedlichsten äußeren Witte:
unter diesem Dach anfängst, Deine Um- rungsbedingungen frei bewegen kann.
gebung zu gestalten, mit all dem, wasesin Unter diesem technologischen Himmel
der Architektur an nicht Greifbarem und bewegt man sich in einem kontrollierten
doch Konkretem gibt: Licht, Sonne, Luft, Mikroklima.
Geruch, Wasser, Klang und Temperatur. Jede Zone verzeichnet den Stand unter- türlichen und außerstädtischen Rahmen
Das Problem ist, die Strukturidee zu ver- schiedlichen Energieverbrauchs: Die eingefügt ist (1 Million qm). Diese organi-
einfachen, sonst zehrt die Vorreiterfunk- Messestruktur ist wie eine riesige Woh- sche Wechselbeziehung ist notwendig,
tion des Architekten, der Hangzurgroßen nung, in der jedes Zimmer unterschiedli- denn die Messemaschine kann nicht ohne
Geste, den ganzen Raum auf und ver- che Gebrauchsfunktionen besitzt, diekon- eine grüne Lunge auskommen: einen
schließt den kreativen Beiträgen der Inge- tinuierlich der Zeit angeglichen werden Park, vielleicht sogar einen künstlichen
nieure den Zugang. müssen. Kanalisation, technische Anla- See, die eine beruhigende, heitere Auf-
Darüber hinaus gibt es eine Begrün- gen und Serviceräume sind auf der mittle- nahme des räumlichen Szenarios begün-
dung funktionaler Natur: die Messe im ren Ebene zwischen Dach und Gebäude- stigen: eine Verkettung von draußen und
elektronischen Zeitalter ist keine reine drinnen, von urbanen und ländlichen
Freude mehr, sondern ein Werkzeug des Räumen.
kommerziellen Handelsaustausches, wel-
ches bestimmten Erfordernissen der Fle-
xibilität von Organisation und Anlagen- DIE MASCHINE
technik nachkommen muß. So ist es natür-
lich, daß das Projekt für den Integrativen B eim Centre Pompidou handelte es
Pol der Mailänder Messe als eine Spezial- sich grundsätzlich darum, ein neuar-
vorrichtung konzipiert ist, besser noch, als tiges Werkzeug zur Produktion von Kul-
Macchina fiera, „eine Maschine zum Aus- tur und Information zu finden. Ich glaube,
stellen“. Das Gebäude ist innen in acht Pa- es ist ein völliges Mißverständnis, dieses
0%