Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1988, Jg. 20, H. [93], Jg. 21, H. 94-97)

Vladimir Slapeta 
FORTSETZUNG AUS 
90/91 ARCH*, S. 87-92 UND 
94 ARCH" S.78-82 
TSCHECHISCHE MIT- 
ARBEITERLE CORBUSIERS 
I ch habe oft tschechische Zeichner 
99 in meinem Atelier und finde, daß 
sie sehr effektive Mitarbeiter sind. Sie sind 
aktiv, intelligent und klug,“ hat Le Cor- 
busier einmal geschrieben. Sein Atelier in 
35, rue de Sevres, Paris, war ein Wall- 
fahrtsort tschechischer Architekten, und 
diese Mitarbeiter vermittelten ihren Kol- Le Corbusiers erstem Prager Vortrag,und Person, sondern für einen Feind der Kul- 
legen im Vaterland die jüngsten Informa- arbeitete dort mit Faure, Emery und Boy- tur und des Fortschritts im allgemeinen... 
tionen darüber, was es bei Le Corbusier er an dem Pavillon „L’esprit nouveau“ Er glaubte, es sei möglich, mit dem techni- 
Neues gab. Die in dem Atelier Le Corbu- und an dem damit verbundenen Wohn- schen Aufschwung ein angenehmes und 
siers herrschende Atmosphäre warimmer hausprojekt. Er erinnert sich an das Ar- schönes Leben auf der Erde zu erreichen, 
gleich. Dessen Beschreibung durchdenäl- beitssystem im Atelier und in der Redak- in dem es keine Unglücklichen und Unzu- 
testen tschechischen Mitarbeiter, der das tion von „L’esprit nouveau“: „Ozenfant friedenen geben werde... Ich sah ihn oft 
Atelier schon im Jahre 1925 betrat, und war ein französischer Gourmet, er hatte zeichnen, skizzieren, meistens Raumskiz- 
die Beschreibung durch den jüngsten Mit- Schliff und strotzte von der Kadenz der zen mit kühnen Perspektiven, aber nie sah 
arbeiter am Ende der 40er Jahre sind fast schönen französischen Sprache, und zwar ich ihn Werkpläne zeichnen. Das machten 
identisch: nicht nur im Ton, sondern auch im Inhalt. andere, die er zu begeistern, mitzureissen 
„Ein breiter Gang in dem ehemaligen Es war er, der die ersten Manifeste formu- oder zu provozieren wußte. Es gefiel ihm, 
Kloster; am Eingang gabes zwei oder drei lierte, weil die damalige Sprache Jeanne- daß jemand die Perspektive konstruierte, 
Zellen ohne Türen, die voneinander nur rets plump hart, schwyz, wie man in Paris indie er danach mit seiner Feder das Men- 
mit niedrigen Querwänden, bei aller Hör- sagte, oder protestantisch war... Es gab schenleben oder Natur einzeichnen konn- 
barkeit, getrennt waren.“”” „In einer be- hier auch eine große Stütze des Chefs-Le te. Kurz gesagt: es ist ihm nie eingefallen 
fand sich Le Corbusier, in der zweiten war Corbusiers Cousin Pierre Jeanneret. Er zu zeichnen, aber sein „Gemüse“, wie wir 
die Sekretärin, und die dritte war Garde- war klein, temperamentvoll, sehr mittel- es nannten, durfte niemand berühren. 
robe.“ „Der größte Teil des Ganges war europäisch, stark wie ein Fußballspieler, Das zeichnete er mit virtuoser Bravour, 
unser Arbeitsraum, unterteilt, nur mit ei- und konnte auf Grund einiger Angaben als ob er schriebe... Seine Werke waren 
nem kleinen Zylinderofen in der Mitte von Le Corbusier, auf Grund einiger Li- tatsächlich die ersten Kompositionen von 
und mit einem sehr, sehr langen Rauch- nien, die von dem Chef während des Ge- Standardelementen, aber das Wichtigste 
fangrohr zur Verbesserung der schlechten sprächs mit explosiver Inventionskraft ge- für ihn war die Form und er bemühte sich, 
Heizung. Im Winter mußte der Ofen im- macht worden waren, mehrere alternative diese Form mit dem aus technologischen 
mer beschickt werden, damit die Finger Lösungen erarbeiten, ohne jedoch fähig Erlebnissen entstandenen Gefühl zu 
nicht froren.“” „Weiter gab es dort einfa- zusein,sich für eine davon zuentscheiden. schaffen... Er zwang die Konstrukteure, 
che Reißtische mit Litze und Reisschiene, Das machte wieder Charles Edouard, der seine künstlerischen Formen durch deren 
an der Wand gab es Haken mit vielen Plä- mit seinem vom Pfeifentabak verschmutz- Realisierung ihm zu bestätigen. Einmal 
nen und Skizzen... Das war alles. Die Be- ten Finger unfehlbar, fast ohne zu überle- zeichnete er auf Grund seiner Gefühle ei- 
dingungen waren fast asketisch und es ist gen, auf die richtige Variantezeigte. Dies ne Fassade mit unglaublich ausgewogenen 
fast nicht zu glauben, daß gerade hier alle ist nicht als Arroganz zu interpretieren, Proportionen und wollte, daß ihm Emery 
— heute bereits legendären — Bauten des die uns so gut bekannt ist. Das war sein die Richtigkeit dieser Proportionen durch 
20. Jahrhunderts und erfinderische Ent- starkes inneres Bewußtsein dessen, daß er Einzeichnung der berühmten Trassen be- 
würfe unseres Zeitalters entstanden der Kämpfer war, der für eine äußerst stätigte. Man kann sagen, daß er die Kon- 
sind: wichtige Sache kämpfte, und jeden, der struktion und Technologie mit seinem 
Der erste Tscheche, der hier arbeitete, anderer Meinung war oder die Realisie- ganzen Körper irgendwie faßte und daß 
war Karel Stränik (1899 — 1978). Erkamin rung des Werkes nicht ermöglichte, hielt seine Werke dadurch ein Gleichgewicht 
die rue de Sevres im Jahre 1925, kurznach er nicht nur für einen Feind seiner eigenen aufwiesen, zudem wenn er sich auf die 
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