Zu diesem Heft Ein
; ARCH*
BALANCE ‚u
konstruktion ? —
Man kann es hören,
das Gemurmel: jetzt jagt
ARCHT* auch den neuesten
Architekturmethoden nach! Nun,
(a) von neu kann nicht die Rede sein, a-
sl ber Mode ist zweifellos richtig. Mit der
New Yorker Ausstellung im Museum of
Modern Art hat sich Philip Johnson noch
einmal als großer Architektur-Couturier
betätigt — und jetzt scheiden sich die Gei-
ster an der Frage, ob der Deckel Dekon-
struktion auf den servierten Topf paßt
bzw. ob die Ingredienzien im Topf nicht zu
heterogen sind. Doch das ist eigentlich ei-
ne ziemlich unwichtige, zumindest zweit-
rangige Frage. Weist nicht das Phänomen
‚Dekonstruktion‘ auf einen tiefersitzen-
den Sachverhalt? Gegenüber der Kunst ist
die Werbung ein viel sensiblerer Seismo-
graph für die Beschaffenheit der Zeit oder
die Befindlichkeit der Zeitgenossen — und
das dekonstruktive Repertoire der Wer-
bung ist nicht von schlechten Eltern. Han-
delt es sich bei der dekonstruktiven Archi-
tektur also doch nicht nur um eine Mode,
sofern man Mode als eine oberflächliche
Erscheinung betrachten will?
Dekonstruktive Architektur gilt in ihrer
Verweigerung ‚biederer‘ Ordnungsvor-
stellungen und Gradlinigkeit als zeitkri-
tisch. Das postmoderne Harmoniestre-
ben, die Suche nach Vollkommenheit in
Form und Ausdruck wird kategorisch ab-
gelehnt. In dieser Welt gibt es nichts zu be-
schönigen. So äntwortet Eisenman auf
(seine?) Entfremdung, indem er gleich
jeglichen anthropomorphen Maßstab ab-
schaffen will. Tschumi verneint jede Uto-
pie und spiegelt die ‚anarchische Realität‘
in Zersplitterungen. Für Gehry wird der
Fisch zum provokanten Symbol seines
Andersseins und tritt an die Stelle einer
Säulenordnung. Koolhaas und Hadid be-
freien sich aus festgezurrter Statik (des
Bauens, der Verhältnisse?) mit Ironie und
Hedonismus. Da sollen die Häuser genau-
so abheben wie der dynamische Jetsetter
und heimatlose Weltnomade. Libeskind,
von dem wohl niemand behaupten kann,
daß er ihn verstünde, verhüllt sich in kryp-
tisch, labyrinthischer Trauer, die irgend-
wie mit Holocaust und Atombombe zu-
sammenhängen soll. Coop Himmelblaus
Architektur muß weh tun, damit nur kei-
ner Gefahr läuft, die Aggressivität dieser
Welt zu vergessen usw. usf.
Wenn all dies als kritischer Impetus zu
deuten ist, so kleidet er sich doch in das
merkwürdige Paradoxon einer affirmati-
ven Ablehnung. Von daher scheint es
sinnvoll, nicht nur zu klären, was Dekon-
struktion ist und meint, sondern auch, wie
eine Zeit beschaffen ist, die die Lust und
Faszination an der Dekonstruktion her-
vorbringt.
»9