Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1988, Jg. 20, H. [93], Jg. 21, H. 94-97)

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A Is ARCH* 1980 das erste Heft zum Ökologischen Planen und 1 Die Dimensionen, die die Stadt angenommen hat, würden den 
Bauen herausbrachte, war es eine Novität unter den Architek- Rahmen sinnvollen Haushaltenssprengen. Hier ist Skepsis anzu- 
turzeitschriften, Vieles erschien halbgar und roch nicht so ganz ge- melden. Die Stadt, war —- zumindest in der Stadtdiskussion —- schon 
heuer. Heute rüstet sich das kritische Architektehbewußtsein ökolo- immer zu groß. Das hat sie aber nie am weiteren Wachstum — auch 
gisch. Aber mehr noch, in allerkürzester Zeit hat die Okologiediege- über die beschworenen Probleme hinaus — gehindert. Wenn, dann 
samte Gesellschaft ergriffen. Die Menetekel an der Wand bzw. auf liegt das Problem im — vielfach unter ökologischem Vorzeichen be- 
dem Weg in die Zukunft waren deutlich. triebenen —- zu wenig dichten Wachstum: in der Zersiedelung. 
Okologie ist also angesagt und hat sich last not least auch in den Or- 2 Das Ver- und Entsorgungssystem der Stadt sei zu zentralisiert 
ganen der politischen Exekutive und in den Amtsstuben eingenistet. zu linear und zu starr. Eine Dezentralisierung würde die ökologi: 
Dort steckt sie in der schwierigen Metamorphose von der ganzheitli- schen Problemkumulationen vermeiden. — So unmittelbar einleuch- 
chen Weltverbesserung zur ressortgerechten Durchführungsverord- tend das erst einmal klingt -z.B. wenn man daran denkt, daß die gro- 
nung. ßen EVU’s Energieverschwendung durch billigere Tarife belohnen 
Ökologie ist so selbstverständlich geworden, daß sie eigentlich ist die Globalisierung dieses Gedankens sicherlich falsch. Wer z.B 
kein Thema mehr ist. Spätestens dann wird es Zeit, über eine Sache den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs zu einem attraktiven 
neu nachzudenken. Natürlich rührt das auch daher, daß bei den Vor- Dienst fordert, tritt für eine - historisch schon einmal erreichte - Zen- 
kämpfern Ernüchterung um sich greift, wie immer, wenn alternative tralisierung ein. Alle linien- und leitungsgebundenen Systeme zeich- 
Lebensentwürfe pragmatisch kleingemahlen werden. Eine solche nen sich durch äußerst vertrackte Verzahnungen von Zentralität und 
Quadratur des Kreises bringt die scharfen Kanten der Sachzwanglo- Dezentralität aus. Vor allzu schnellen ideologischen Gleichsetzun- 
giken ins runde Feeling. Aber das ist, glaube ich, nicht das Problem. gen ä la dezentraler = demokratischer ist also zu warnen: Vernünfti- 
Das steckt tiefer: Nicht die Ökologie selbst, sondern die Ideologie ges Haushalten ist gebieterisch und harmoniert nur im Ausnahmefal} 
über die Ökologie hat sich so breit durchgesetzt. Machen Sie die Pro- mit pluralistischer ‚Autarkie‘. Dezentralisierung, die kein histori- 
be; sagen Sie Ökologie - und was wird die Antwort sein? Grün! Grün scher Rückschritt an Komfort und Lebensqualität sein soll, erfordert 
und Natur, Natur und Gleichgewicht, Gleichgewicht und heil. die Zentralisierung auf der nächsten Ebene. In dieser Dialektik 
Und wie, bitte schön, hilft das weiter? Was heißt das denn, wenn 5!öCkt der Kern der Sache. In der Entwicklung neuer und angemesse. 
man die Ebene der ökologischen Einzelprojekte mit ihrem Ökoego- 1erer Formen des Verhältnisses von zentral und dezentral steckt 
ismus und dem rührenden Versuch, sich im Auge des Orkans zu hal- AUCH SS TANONAUNGRSPOTENTINL Für Ct Ernenenine der Formen des 
ten, verläßt und sich den größeren Zusammenhängen zuwendet, um Städtischen Lebens. Okologische Einzelprojekte können in Einzel- 
die es schließlich geht. Zum Beispiel die Stadt: Wie kriegt man Stadt (US htmEsweisenn Seh, Ahorausder MOENCHKSN de AU TTKEN 
und Ökologie zur Deckung? Als erstes springt doch der Widerspruch tromversorgung per Windmühle z.B. den Windmühlenwald über 
ins Auge. Was heißt denn Ökologie im Zusammenhang mit diesem den Dächern der Stadt zu machen, kommt einer Donquichotterie mit 
durch und durch künstlichen Kulturprodukt Stadt? Auf diese Frage “MßCkehrtem Vorzeichen gleich, 
gibt es keine selbstverständlichen Antworten. Die Natur in die ‚ent- 3 Zur Lösung der ökologischen Probleme der Stadt bedürfe es 
artete‘ Stadt zurückbringen? Welche Natur? Diejenige unserer mehr und besserer Technik. — Hierzu muß nicht viel gesagt wer- 
durch und durch künstlichen Kulturlandschaften? In dem Gedanken den. Es ist ohne Zweifel richtig und die Berührungsängste haben sich 
steckt eine gute Portion Naivität - und Gefährlicheres. Natürlichhat auch in der alternativen Szene unter der Hand und ohne großes Gere- 
niemand etwas gegen mehr Parks, Erholungsflächen und sonstiges de wieder gelegt. Nur, die fromme Hoffnung; den Moloch Technik 
Grün in der Stadt. Aber seit dem Großstadtschock des 19. Jahrhun- über die Kopplung von ‚sanft‘ und ‚dezentral‘ an der Leine zu halten, 
derts ist ‚Grün‘ eine fixe Idee der Planer und dahinter verbirgt sich ist wohl historisch überholt. Es steht eine durchaus neue Technikdis- 
letztendlich Stadtfeindliches. Wenn es wieder zum Zwecke der Ret- kussion an, deren Konturen noch so unscharf sind, wie etwa die Aus- 
tung der Stadt um ihre Zerschlagung gehen sollte, auch wenn sie wirkungen der elektronischen Revolution auf die Stadt. 
Okotopia genannt wird, dann ist mit Raymond Chandler zu antwor- a . N 
ten: „Du verstehst mich, Freund. Ich will die große, gemeine. 4 Um die ökologischen Probleme der Stadt zu lösen, hätten wir un- 
schmutzige, unredliche Stadt wählen.“ sere Lebensweise zu ändern, die Menschen müßten zu einem 
ya N . E . umweltbewußteren Handeln erzogen werden. Richtig! Aber es ist 
‚Vielleicht sollte erst, bevor über Stadt und Ökologie gesprochen schon eine etwas schlechte Ironie der Geschichte, wenn die nicht ge- 
wird, geklärt werden, was unter Stadt zu verstehen ist. Betrachtet ade sonderlich erfolgreiche Partizipation auf kommunaler Ebene im 
man nur die äußere Form, so ist die Verwendung dieses Begriffs privaten Müllrecycling ihren tieferen Sinn bekommt. 
höchst fragwürdig. Aber das täuscht. Stadt, das bedeutet ein zentra- 
les System der Versorgung und Entsorgung, welches das Zusammen- Die Form unserer städtischen Lebensweise steht also zur Diskussion. 
leben vieler Menschen regelt. Städte sind eigentlich nichts anderes Ein quasi religiöses Bekennertum hilft bei all den offenen Fragen ge- 
als ein großer Haushalt - ein Oikos. Und hier schließt sich die Oikolo- Nnauso wenig weiter wie der modische Okoanstrich, der allenthalben 
gie als Lehre vom vernünftigen Haushalten auch in komplexen Syste- gehandelt wird. Und vor allem, wenn es um die städtische Lebens- 
men recht gut an. Gerade mit dem Haushalten stimmt es nicht mehr. weise geht, dann auch um die vorausgesetzten Bedingungen aus der 
Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag ist in Disproportion gera- landwirtschaftlichen und industriellen Produktion. Und da ist das 
ten: Sei es der verschwenderische Aufwand für Fortbewegung / Dickicht der selbstgezüchteten Sachzwänge noch recht undurch- 
Transport und der ‚negative‘ Ertrag an Zeit, der dabei herauskommt; dringlich. Sabine Kraft 
sei es der abnehmende Grenznutzen an Komfort bei immer aufwen- 
digeren und gefährlicheren Formen der Energiegewinnung; sei esdas Die folgenden acht Seiten der Argumentation mit Bildern entstanden in Zusam- 
inadäquate Verhältnis von Verpackung zu Inhalt und der maßlosauf- Sri ii anrg Stefan Wunder, Wichtig für die Konzeption waren die Dikussio- 
geblähte Müll oder sei es die Sorglosigkeit, mit der das Wasser unge- nen mit Bruno Schmaler, Die Plastik zur ‚Dreigesichtigkeit‘ beim Thema Energie 
heuer versaut wird, wenn die natürlichen ‚Selbstreinigungskräfte schuf Bernd Grundmann 1987. Die kleine Vignette über den ‚Homo Scarabäus‘ auf 
Ohnedies nicht mehr funktionieren. Auf diese Probleme, die nur bei: den Seiten über den Verkehr zeichnete Roland Mertens. Der Text von Peter Sloter- 
spielhaft für den durcheinander geratenen Haushalt Stadt stehen dijk ist ein Auszug einer Veröffentlichung im FAZ-Magazin vom 30.10.87, S. 61 ff. 
ton Die surrealistische Fotografie der Schaufensterpuppe zum Thema Müll stammt von 
werden unterschiedliche Antworten gegeben. Anker Spang-Larsen.
	        
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