Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1988, Jg. 20, H. [93], Jg. 21, H. 94-97)

Hofbegrünung und Straßenmöbeln leichter Politik zu machen als 
mit Hofeinfahrten, Absaugeanlagen, Schallschutzmaßnahmen 
oder dem Versuch, Gewerbe und Bewohner zu gemeinschaftli- 
cher Nutzung zu bewegen. 
Ökologie fängt aber da an, wo diese Konflikte unnötig werden, 
weil sie grundsätzlich und oft ohne besondere Schwierigkeiten 
vermittelbar sind. Wenn derselbe Hof für Begrünung und für Ge- 
werbeverkehr beansprucht wird, dann kann der ökologische 
Blick sehr schnell zeigen, daß, bei anerkannter Berechtigung bei- 
der Bedürfnisse, das ökologisch Richtige eine dritte Möglichkeit 
zur Verfügung stellt. Ökologisch gesehen, geht es sowohl um 
Nutzungsdichte - Verdichtung und Nähe sparen Transportzeit 
und -wege, bedeuten also auch weniger Luftbelastung —, wie um 
Verbesserung des Kleinklimas, des Ökotop Hof. Hierfür aber 
sind bessere Entlüftung und größere Feuchtigkeit zur Staubbin- 
dung nötig. In die Sprache der konkreten Maßnahmen und zu- 
gleich das Material der widerstreitenden Anforderungen über- 
setzt, heißt das: Der Belüftung dient die Verkehrsfläche Hof, der 
Staubbindung durch Feuchtigkeitsanreicherung eine Begrünung 
in der Höhe (Dach und Brandwände) - ökologische Vernunft löst 
Konflikte, ökologisches Gleichgewicht produziert auch wieder 
Gleichgewicht. 
Wenn die Stadtökologie diese Vermittlungsarbeit nicht leistet, 
sondern sich nur auf eine Seite schlägt, die der Begrünung, hat sie 
sich aufgegeben. Es wäre keine Ökologie, die nicht Arbeitsplät- 
maten, Verwaltungspapier und Elektronik bewegt. ze, so wie Industrie heute mit der Welt umgeht, in Frage stellte. 
Alles Konkrete ist, unter dem Titel der Umweltbelastung Aber es wäre auch keine Ökologie, die nicht darauf hinausliefe 
nach draußen verwiesen: und das heißt heute, im Zeitalter begin daß alle zu essen und zu arbeiten haben 
nender Schrumpfung und Entindustrialisierung, in Billiglohnlän- 
der, wo es auf Lebensqualität und Menschenleben nicht an- ; 
kommt, wenigstens überhaupt weg aus der Stadt. Diejenige Neu- 3. Verdichtung 
gliederung des Produktionsprozesses, die ihn, unter Nutzung der 
Mikroelektronik und anderer neuer technischer Entwicklungen, Alle Ökologie ist letztendlich Ökolgie der Zeit. Das ist es, was sie 
wieder kleingliedern und nach Größe wie Emissionen mit der zum Gesellschaftsprojekt macht, im Unterschied zu jener hypo- 
Stadt verträglicher machen würde, als es das vorindustrielle Ge- thetischen, aber notwendig unbegründbaren Vorstellung einer 
werbe je war, unterbleibt — in merkwürdiger Allianz zwischen Ökonomie der Natur, auf deren Nachahmung Ökologie gemein- 
Verwertungsinteressen der großen multinationalen Kapitaleund hin hinauslaufen soll. Letztere mag man unterstellen, obwohl das 
den von ihnen über Kaufhaus und Touristik geschulten Bewoh- auf das gleiche hinausliefe wie die Unterstellung einer histori- 
neransprüchen an eine nur auf passiven Verbrauch ausgerichtete schen Teleologie in Gesellschaftsdingen. Jedenfalls ist die Natur 
Lebensqualität der Stadt. kein Gesellschaftsmodell: Sie stellt ihre Gleichgewichte über — 
Da finge aber alle Ökologie an. Wo immer man anfaßt, diegro- gesellschaftlich geredet -— ungeheure Verschleißproduktion her, 
ßen Komplexe haben an Ökologie kein wirkliches Interesse, weil der gegenüber historische Verschleißformen - Menschenopfer, 
das zu ihrer Abschaffung führte - sie als erste sind, da überdimen- Kriege, Wirtschaftskrisen — trotz allem sich als Nachwehen aus- 
sioniert, unökologisch. Natürlich kann man sie nicht abschaffen, nehmen. Auch die Gesellschaft freilich hat eine Ökonomie der 
solange die Funktion der Zusammenfassung, der weltweiten Menschenleben erst noch vor sich. 
Vernetzung nicht unabhängig von ihnen gelöst werden kann. Um so mehr kann der Verschleiß fossiler Brennstoffe, also ei- 
Daran reibt man sich zwangsläufig im Großen wie im Kleinen: ner prinzipiell nicht wiederholbaren erdgeschichtlichen Produk- 
Ökologie ist, was man machen könnte, wenn die Einsichten und tionszeit, nur an einem gesellschaftlichen Begriff von Sparsam- 
die gesellschaftlichen Produktionsformen dem Gefahrenstand keit gemessen werden: also im Zeitmaß nicht natürlicher, son- 
entsprächen. dern gesellschaftlicher Zeit, und zwar an dem Widersinn, daß un- 
Das heißt nicht, daß man nichts machen kann, sondern, daß verhältnismäßig viel Arbeits-, und damit Lebenszeit, für die er- 
man erst da ansetzen kann, wo die Großapparate auf dem Rück- reichten Verschleißstandards bezahlt werden muß (und gleich ob 
zug sind und Land freigeben: z.B. im Ruhrgebiet oder in Berlin wir persönlich, oder die Wirtschaft, oder der Staat, von der be- 
(West). Wo die großindustrielle Arbeitsorganisation zusammen- heizten Verwaltungsfläche bis zum NATO-Manöver, die Ver- 
bricht, sind zwar auch die Voraussetzungen größtenteils vernich- ausgaber sind, bezahlen müssen wir, als Zwangsendverbraucher, 
tet, mit denen man beizeiten eine Kehrtwende hätte schaffen immer und alles), daß die für die Lösung des Energieproblems 
können, es gibt zum Ausgleich Situationen, wo die alten eisernen nötige gesellschaftliche Zeit aber verweigert, nämlich, wenn 
Widersprüche von Arbeitsplatz und Umwelt nicht mehr gelten, schon von einer Minderheit eingeklagt, bislang von niemandem. 
sondern sich ganz zwanglos Vermittlungen einstellen- wenn das der es könnte, finanziert wird. 
erst einmal zugelassen wird. Wie? , darum geht es hier nicht: Hier Die Stadt hängt aber, wie alle anderen Gesellschaftsformen, 
ist erst einmal wichtig, daß es diese Perspektive gibt. zugleich und ebenso von subjektiven Zeitzuwendungen ab: daß 
Sie ist allein schon deshalb wichtig, weil in Arbeitsfragen die es ihren Bewohnern gelingt, über ein Gleichgewicht von Leben 
selbstverständlichsten Dinge nicht mehr möglich sind: einerseits und Arbeit an die Stadt Zeit abzugeben, in sie zu investieren: in 
untersagen die Verwaltungen, ohne Prüfung von Abhilfemög- die Stadt als Darstellungsform — Architektur und Städtebau - und 
lichkeiten, nahezu jede Produktion in Wohnbereichen; zum an- erst recht in die Stadt als Subjekt solcher Darstellung: gesell- 
dern ist es ein besonders hohes Ziel von straßenweise organisier- schaftliches, politisch-kulturelles Leben, Öffentlichkeit, autore- 
ten Bürgerinitiativen, in ihrer Straße jeden Gewerbeverkehrun- gulative Austragung von Konflikten. Das Geheimnis der Stadt- 
möglich zu machen. Man muß also gar nicht auf die Ebene der Ökologie ist nun, daß, im Augenblick konkreter Konfliktlösung, 
großen Apparate und Mächte hinaufschauen —- dort unten, woet- auf welcher der beiden Ebenen — also der der Brennstoffe, des 
was „von unten“ wachsen könnte, werden ständig die Beine weg- Wassers, der Luft, und der anderen der Öffentlichkeit, Geschich- 
geschlagen, die als Standbeine dienen könnten. Natürlich ist mit te, Kultur, des Städtebaus —-, man auch herangeht, in der zurei- 
3Q
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.