Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1988, Jg. 20, H. [93], Jg. 21, H. 94-97)

Selbsthilfesiedlung Oko-Laube von Rudolf Doernach Ökosiedlung 
Tränkematten Am Lindenwäldle 
Arch.: R. Probst Arch. : R. Disch 
Gisela Nacken 
HEIMLICHE HAUPTSTADT DER OKOLOGIE? 
F reiburg — die Stadt in der Bundesrepublik mit dem ersten- je nach Thema, so daß die Verwaltung weder gegenüber den Bür- 
heute vielfach nachgeahmten — Umweltabonnement fürden gerInnen noch gegenüber den KommunalpolitikerInnen leichtes 
öffentlichen Personennahverkehr, eine der ersten Städte mitei- Spiel hat. Vorlagen müssen zuerst detailliert ausgearbeitet wer- 
nem Luft- und Klimagutachten, Stadt der ersten Bundesgarten- den, um Mehrheiten zu finden. Es gibt keine langfristigen inter- 
schau, bei der dem ökologischen Gartenbau ein breiter Raum zu- fraktionellen Absprachen wie in anderen Kommunen, auf die 
gestanden und von der Bevölkerung mit regem Interesse aufge- sich die Verwaltung verlassen und somit ausruhen könnte. Das 
nommen wurde — um nur einige Punkte aufzuzählen. Was die politische Tagesgeschäft ist unberechenbar geworden. Es soll je- 
Schlagzeilen in der Presse angeht, scheint Freiburg die Stadt der doch nicht verschwiegen werden, daß von Zeit zu Zeit auch gute 
Superlative zu sein, wenn es um Ökologie geht. Aber rechtfertigt Verwaltungsvorlagen diesen schwierigen Mehrheitsverhältnis- 
ein Blick hinter die Kulissen den Titel „Heimliche Hauptstadt der sen zum Opfer fallen. 
Ökologie“, den sich die Freiburger — egal welcher politischer 
Couleur - gerne geben und wenn ja, wie kommt es gerade hier zu . . 
einer  olchen Bündelung ökologischer Maßnahmen? Um diese Freiburgs Stadtentwicklung 
Fragen zu beantworten muß man einen Blick auf die politischen Bis heute ist die Stadtentwicklung Freiburgs geprägt durch den 
Rahmenbedingungen werfen historischen Stadtgrundriß und das „Zähringer Kreuz“, der 
Schnittpunkt der beiden wichtigsten historischen Straßen. Der 
; nach Macht strebende Herzog Bertold der III., ein Zähringer 
Das andere Freiburg Herzog, gründete die Stadt 1120 am strategisch wichtigen 
„Hauptstadt der GRÜNEN oder Alternativen“ heißt Freiburg Schnittpunkt der Rheintalstraße und der Querverbindung Elsaß- 
bei manchen. Und tatsächlich haben z.B. bei den Kommunal- Schwarzwald am Flußlauf der Dreisam. Das Rückgrat der dama- 
wahlen 1984 im Stadtteil Wiehre, keinesfalls ein studentisches ligen Stadtanlage bildete eine Hauptstraße mit ihren Märkten, 
Wohngemeinschaftsviertel, sondern ein beschauliches Viertel die heutige Kaiser-Josef-Straße. Senkrecht dazu wurden die Ne- 
mit Bürgerhäusern aus der Jahrhundertwende, 31,5% der Bür- benstraßen geplant, u.a. die wichtige Ost-West-Verbindung, die 
ger die GRÜNEN gewählt. Hier ist gelungen, was sich anderen- heutige Bertoldstraße. Das gesamte Straßennetz war von zentral 
orts sehr schwer tut. „Grüner Sinn“ ist in bürgerliche Bastionen gespeisten offenen Wassergräben durchzogen, den heute so be- 
eingedrungen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Da sind zu- liebten „Bächle‘“. In Verlängerung dieser vier Kreuzungsarme 
nächst die Auseinandersetzungen um Wyhl, das Atomkraftwerk, haben sich die Hauptstraßen der Stadt entwickelt und formen 
das 1975 am Rhein in unmittelbarer Nähe Freiburgs gebaut wer- vier Stadtquartiere mit heute je 30.000 - 50.000 Einwohnern. In 
den sollte, zu nennen. Die Bürgerinitiativen, bestehend aus Frei- Ost-West- Richtung wird Freiburg von der Dreisam durchflos- 
burger Studenten, vor allem aber aus Bauern und Winzern der sen. Sie bildet in den Augen der Freiburger das „grüne Rückgrat“ 
Region und Nachbarn von der anderen Rheinseite, aus dem El- und teilt die Stadt in zwei etwa gleich große Hälften. In diesen 
saß, wußten dies mit aller Kraft zu verhindern. Stadtgrundriß dringen fünf fingerartige Grünkeile ein, Grund- 
Das was sich später zu einer breiten Ökologie-Bewegung for- voraussetzung für das heutige Grünkonzept. 
mieren sollte, wurde in Freiburg und Umgebung durch die Aus- 1945 wurde die Stadt durch ein Bombardement zu fast 50% 
einandersetzungen um Wyhl schon viel früher wach. zerstört. Dreiviertel der Altstadt lag in Trümmern. Wie bei fast 
Ein weiterer wichtiger Faktor für das Umweltbewußtsein der allen bundesdeutschen Städten, deren Geschicke nach dem 
Freiburger liegt sicherlich beim Waldsterben. Freiburgs Bürger- Krieg in konservativen Händen ruhte, beinhaltete der Wieder- 
Innen und KommunalpolitikerInnen können die fortschreiten- aufbauplan von 1948 als wesentliches Ziel die Erhaltung des hi- 
den Schäden vor der Haustür sehen. Nach städtischen Angaben storischen Stadtgrundrisses und des Maßstabes der Stadträume. 
steht auf 40% der Gemarkungsfläche Freiburgs geschädigter Vom vielerorts üblichen technokratischen Umbau der Städte in 
Wald. Das Bild des vor den eigenen Augen dahinsiechenden Anpassung an die erwarteten Erfordernisse des Verkehrs und 
Waldes läßt es nicht zu, mit Rettungsmaßnahmen zu warten, bis den damit verbundenen Zerstörungen blieb Freiburg verschont. 
man die Hauptverursacher ermittelt hat. Diese mehr als in den Blockentkernungen standen jedoch auch damals auf der Tages- 
meisten anderen deutschen Städten für Umweltbelange sensibili- ordnung. 
sierte Bürgerschaft wird heute im Kommunalparlament durch Die Wohnungsnot in den 50er und 60er Jahre zwang zu Stadt- 
GRÜNE, SPD, CDU, FDP und Abgeordnete Freier Wählerge- erweiterungen. Die Entwicklung nach Norden, Süden und Osten 
meinschaften vertreten. Die Mehrheiten hierbei sind wechselnd war durch den Schwarzwald begrenzt, so daß eine gezielte Stadt-
	        

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