Vor einiger Zeit kam seine Frau nieder. Er hatte dieselbe ver-
geblich zu bestimmen gesucht, auch „wollen“ zu werden, da sie schon
länger an einem Herzfehler und in Folge dessen an wassersüchtigen
Erscheinungen litt. Die Frau hatte also einen wässrigen, zu Zerset-
ungen und damit zu Duftentbindungen besonder3 disponirten Körper.
Da dis Entbindung unerwartet geschah, so hatte ihr Mann, der sonst
feine Geburtshelferpraxis treibt, die Sache selbst zu leiten und sich
voll und ganz den Krankheitsdüften, die besonders massiv waren, aus-
zusehen, und zwar als Hausgenosse nicht blo8 während des Vorgangs,
sondern andauernd. Das sofort sich einstellende Unwohlsein steigerte
sich nach einigen Tagen zu einem heftigen gastrischen Fieber mit starkem
Phantasiren.
Lekteres ist nun eine <arakteristische Erscheinung bei Wollenen
wie bei allen kräftigen Naturen -- jeder Arzt weiß, daß die
Krankheitserscheinungen um so heftiger sind, je kräftiger die Constitution
des Satienten ist. =- Da ich verreist war, wurde ein anderer mit der
Natur der Wollenen nicht vertrauter Arzt geholt, der -- vielleicht be-
einflyßt durc< die Stimmen derjenigen, die mich mit sammt meinen
Anhänzern für Narven halten =- den Patienten für irrsinnig und
seine Verbringung in eine Anstalt für nothwendig erklärte. Zum Glück
widersekte sich dem die in einem andern Haus wohnende Mutter des
Patienten und ließ ihn in ihre Wohnung verbringen. Sofort, als
derse!9e aus der verpesteten Atmosphäre in eine reine
verse „t war, verschwand das Phantasiren. I< fand den
Patienten drei Tage darnach no< schwach und sc<hlummersüchtig und
zündete die Platinlampe bei ihm an. Diese wirkte sofort und führte
den Kranken schlank in einer unbegreiflich kurzen Zeit zu völliger Ge-
nesung, deren Fortschritt nicht einmal dadurch gestört wurde, daß die
Frau -- augenscheinlich unter dem tiefen Eindru> der Nachricht, ihr
Mann sei irrsinnig -- das Kindbettfieber bekam und starb. Daß dieser
Vorfall von allen Wollgegnern Stuttgarts nach Möglichkeit ausgebeutet
wurde und sich ein ungeheurer Klatsch breit machte, werden sich die
Leser des Blattes selbst au8malen können, und noch jekt, nachdem der
gewesene Patient schon seit Wochen stramm als ein „wandelndes Bild
der Gesundheit“ wieder durch Stuttgarts Straßen schreitet, hört man
steif und fest behaupten, er fei im Irrenhaus. So ist die Welt! Aber
es nüßt sie doch nichts, es geht wie bei dem Kampf der Fuhrleute
gegen die Eisenbahn.
Die Selbstvergifkung.
In dem in Desterreih erscheinenden illustrirten Journal „Die
Heimath“ (Nro, 22 des Jahrgangs 1882) finde ich folgende Notiz:
„Wie wir uns vergiften. Der große französische Toxikologe
Claude Bernard machte eine Reihe von Experimenten, um zu be-
BR