Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

1 
38 
jo daß ich keinen Anstand nahm, für mein noch zu erwartendes Erst- 
geborenes sofort die ganze KindSaussteuer von Wolle bei den Herren 
W. Benger Söhne, sowie bei Herrn Gustav Köber, Württ. Normal- 
bettmanufaktur, zu bestellen : Wollhemd<hen, -Kittel, -Häubchen, Woll- 
wikeltücher und Wollunterfle>, wollene Kopf- und Tragkissen, sowie 
Couvert u. s. w., und hat somit mein Kind von der ersten Minute 
seines Daseins bis Dato noch kein leinenes Stückchen am Leibe ge- 
tragen. 
Das Aussehen meines nun halbjährigen Kindes ist ein leb- 
und kernhaftes , seine nie ruhenden und rastenden Aermhen und 
Beinchen sind behend und kräftig, sein Körper ist kugelrund , festen 
Fleisches, es stroßt von Gesundheit. Der Ausdruc> seines Gesichthens 
strahlt von Wohlbehagen, das sich durch das tägliche vielfache innige 
Jauchzen besonders kundgibt, so daß e8 Jedermann, der das Kind 
sieht, eine herzgewinnende, entzückende Freude gewährt, dieses zufrie- 
dene Gesichthen zu sehen. 
Was den praktischen Werth der Kindswollbekleidung betrifft, so 
lasse ich die seit mehr als 20 Jahren in Stuttgart fungirende Heb- 
amme reden, überzeugt, daß ein solcher Ausspruch einer praktischen 
Frau in dieser Sache kompetenter ist, als die theoretischen Sprüche 
eines Dr. Niemeyer in Berlin, der vielleicht noch nie ein Kind aus3- 
und eingepackt und noh nie eine Windel gewaschen hat. 
Nachdem die Hebamme das Wollzeug anfangs lächerlich fand 
und sich desselben nur widerstrebend bediente, so meinte sie nach 
mehreren Wochen: 
„Obgleich ich eine arme Frau bin und schon 6 Kinder in Leinen 
aufgezogen habe, so würde ich keine Minute zögern, sollte ih wieder 
ein Kind bekommen, dasselbe in Wolle zu ste>en, denn das ist halbe 
Arbeit gegenüber der Leinwand.“ 
„Die vielen Erkältungen, die sonst bei den Kindern vorkommen, 
fallen durch die gleichmäßige und anhaltende Wärme der Wolle voll- 
ständig weg, was für so kleine Wesen, denen man Wärme geben muß, 
da sie selbst noc< wenig erzeugen, von größtem Werth ist; insbesondere 
muß ich der nassen Windeln gedenken, die bei Leinwand kalt, ia eis- 
kalt am Kinde anliegen, während sie bei Wolle stet38 warm bleiben.“ 
„So ist auch das viele zeitraubende und kostspielige Bügeln er- 
spart. Das Waschen der Windeln geht einfacher und rascher, und 
das der Kittelhen und Hemdchen braucht nicht so oft zu geschehen, 
da sie (zu meinem Erstaunen) wochenlang vein und geruchlos bleiben. 
Auch gehen meine Beobachtungen dahin, daß das tagtäglihe Baden 
und Einseifen des Kindes eher von schädlicher als nüßlicher Wirkung 
war, und befand es sich am wohlsten, wenn es alle Tage, der NRein- 
lichkeit halber, aber ohne Seife abgewaschen, abgerieben und her- 
nach mit einem in Olivenöl getränkten wollenen Lappen leicht einge- 
rieben und nur alle 8 Tage gebadet wurde. Nach meinen nun bis 
jebt gemachten Erfahrungen sehe ich es als eine Gewissenssache an,
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.