Alltag8gewand und trug darunter ein scharlachrothes Hemd (Coche-
nille). Fast zur selben Zeit sprach ich mit einem italienischen Arzt,
der mir bemerkte: „in Savoyen trage das Volk fast ausschließlich
Wolle (wie überhaupt der Jtaliener), leide aber viel an Jsc<hias
(Hüftweh).“ Nicht lange darnach fühlte ich zeitweilig ziehende und
brennende Schmerzen in der Hüftgegend und im Kreuze und dachte
natürlich zuerst an die obige Aeußerung, was mich offen gestanden sehr
erschreckte.
Allmählig bildete sich jedoch die Sache so aus: Nachts war ich
frei von Schmerzen, bei Tag war das Gefühl am stärksten unter dem
breiten Wollgürtel, den ich unter der Hose trug, nahm ab, wenn ich
den Gürtel ablegte, wurde beim Sitzen, wo die Hose straff dem Gesäß
auflag, stärker, und es verbreitete sich über die ganze Sitfläche ein
Gefühl von Taubheit und unbehaglicher Hie, während beim Stehen,
überhaupt wenn die Hose weniger gespannt war, die Sache sofort besser
wurde und noch mehr, wenn ich die Hosen auffnöpfte und völlig lockerte.
Nun verfiel ich wieder auf eine Jrrung: ich hielt die Sache für
Folge des Dru>es von Gürtel und gespannter Hose und das machte
mich nun irre über die „Lendengürtung“. Der Jrrthum lag um so
näher, als das Gefühl in der Gesäßhaut viel Aehnlichkeit mit dem durch
Druek erzeugten „Einschlafen “ oder „Pelzig-“ d. h. GefühlloSwerden
der Haut hatte.
Das Frühjahr brachte endlich die Lösung. Auf einem Gang nach
Hohenheim an einem warmen Tag kam ich durch rasches Laufen in
Schweiß und jetzt steigerte sich das Gefühl in der Gesäßhaut und auf
dem Kreuz dergestalt, daß ich glaubte, ich hätte einen Senfteig über
der ganzen Stelle. Jett besann ich mich plößlich auf meinen Grund-
saß „Krankheit ist Gestank“, auf die Thatsache vom „Stinkendwerden“
s<hwarzer Kleider, und daß das Uebel gerade an der Stelle saß, wo
das Beinfkleid die beste Gelegenheit hat, übelriehend zu werden. Nach
Hause gekommen vertauschte ich die schwarze Hose mit einer braunen,
worauf. das Brennen sofort nachließ, um nach einigen Stunden ganz
zu vers<winden und die neuralanalytische Untersuchung der schwarzen
Hose ergab 75 */, !! Verlangsamung der Nervenzeit.
3) Fall. Etwa 8 Wochen darnach =- ich hatte mittlerweile die
Sache weiter geprüst und volle Klarheit gewonnen -- erschien mein
Freund Fr. v. H., ein eifriger Wollener, wenn auch nicht dem Schnitt
nach, bei mir und erzählte mir folgende Geschichte:
„Vor einigen Wochen sei bei ihm mitten auf der Brust eine erst
nur thalergroße, dann aber allmählig über die ganze Brust sich aus-
dehnende Stelle der Haut absolut gefühllos geworden, so daß selbst
Nadelstiche nicht empfunden wurden. Die Sache habe gewechselt; bei
gebücter Stellung oder bei Seitenlage im Bett weniger stark, habe sie
sich bei aufrechter Stellung und Rückenlage, kurz jeder Spannung der
Brusthaut verstärkt. Heute früh habe er nun beschlossen, einen Spezial-
Arzt für Hautkrankheiten Dr. V. in Cannstatt zu fragen, zuvor aber,