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die männlichen und welche die weiblichen Aerzte behandeln ? Nun, wenn Jemand
eine Krankheit delikaten Charakters hat, so wird ihm nur beim Vorhandensein
männlicher und weiblicher Aerzte Gelegenheit geboten, sich an einen Arzt seines
Geschlechtes zu wenden, was bis jetzt leider für Frauen nicht möglich ist. Für
alle übrigen Krankheiten aber sollten männliche Kranke weibliche Aerzie
haben und weibliche Kranke männliche Aerzte. Diese Ansicht mag der
großen Mehrzahl der Menschen paradox erscheinen, denn sie ist zu neu, weil wir
bis jezt nur sehr wenige weibliche Aerzte haben; aber sie ist psychologisch zu be-
gründen. Ein kranker Mann wird stets durch die zarte Aufmerksamkeit einer
Wärterin innerlich erfreut; gern befolgt er ihre Anordnungen und nimmt mit
Vergnügen das, was sie ihm an Speisen und Getränken vorrichtet; die kranke Frau
aber sehnt sich nach dem männlichen Arzte, sie zählt die Stunden, bis er ihr Zimmer
betritt und läßt ihn ungern von ihrem Bette sich entfernen, während sie ihrer
Wärterin gegenüber oft recht ungeduldig ist und sie schnöde behandelt, Es giebt
in der Natur ein männliches und ein weibliches Element, zwischen welchen eine
ganz unwiderstehliche Anziehungskraft besteht und die sich bei niederen lebendigen
Organismen im Fortpflanzungstriebe äußert, während bei geistig höher stehenden
und moralischen Menschen, wo die geistigen und Gemüthsfähigkeiten über dem
Instinkt stehen , eine Art von magnetischer Anziehungs- (oder auch Abstoßung5-)
kraft vorhanden ist, welche bei Zusammenkünften in rein psychischer Weise zum
Austausch gelangt. I< habe mich bemüht, die Gefühle von Kranken beider Ge-
schlechter hierüber zu erforschen ; ich habe sie über ihre Ansicht befragt, welchen
Aerzten sie den Vorzug geben würden, ob den männlichen oder weiblichen; und
wenn sie, bei der Neuheit meiner Jdee, anfänglich darüber auch erstaunt waren,
so kamen sie doch, nachdem sie sich damit vertraut gemacht hatten, zu dem von
mir erwarteten Schlusse: daß der Mann dem weiblichen, die Frau dem männlichen
Arzte den Vorzug geben würde,-wenn die ärztliche Tüchtigkeit bei beiden Geschlechtern
gleich wäre. Wer bestimmt denn auch die Wahl des Hausarztes ? Doch die Frau.
Nie wird sie dulden, daß ein ihr unsympathischer Arzt die Praxis in der Familie
ausübt. Der von ihr gewählte Hausarzt ist in ihrer Einbildung der beste Mann,
der tüchtigste Arzt, den die Welt je besessen hat, auch wenn er bei seinen Kollegen
und bei vielen anderen Leuten nicht dafür gilt. Der. Hausherr wird einem Arzte,
wenn er nicht vollgültige Beweise von seiner Tüchtigkeit besitzt, nie die Sympa-
thie entgegen bringen, wie seine Frau. Der der letzteren aufgezwungene Arzt aber
wird gewiß nicht gerufen, wenn es nicht unumgänglich nöthig ist; seine Arzneien
s<me&en abscheulich und sie weiß schon vorher, daß sie nichts nüßen, und im
Stillen denkt sie: wie kann nur mein Mann zu einem solchen Menschen Zutrauen
haben ? Man beschuldige mich nicht, daß ich für „Frauenrechte“ eingetreten
wäre! Ich spreche für „Männerrehte!“ Id verlange im Jnteresse meines
Geschlechtes die medizinische Erziehung der Frauen, damit dieselben, wenn wir
frank werden, uns ihre Sympathie, ihre Rathschläge und ihre ärztliche Sorgfalt
angedeihen lassen.“
Zu dem oben Gesagten, das jeder aus eigener Erfahrung mehr
oder weniger bestätigen kann, bemerke ich Folgendes: J< will nicht
bestreiten, daß bei dieser hier besprochenen Sympathie auch geistige
Eigenschaften und Anregungen ihre Rolle spielen, aber den Haupt-
faktor bildet die Harmonie der beiderseitigen Ausdünstungs-
düfte. J< habe s<hon in meinem Buh „Entdeckung der Seele“ auf
die Heilwirkung des Aus dünstungsduftes sympathischer Personen
hingewiesen, seit etwa einem Jahr bin ich aber der Sache experimental
näher getreten ; ich habe den Haarduft einer größeren Zahl von Per-
sonen beiderlei Geschlechts durc< Ausquetschen der Haare zwischen Mil<h-
zu>er gewonnen, diesen Extrakt in Wasser gelö8t und mit Weingeist
1oweit verdünnt, bis die neuralanalytische Ziffer meines Nervenmessers