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1) Wenn meine Lehre von der Durchblutung der Brusthaut falsch,
wie erklärt Herr Niemeyer die thatsächliche Wirksamkeit des „Choleragürtels
der Engländer“, der bekannten „Brustwärmer“ und des ältesten Saßes der
Hygiene, daß Warmhaltung von Fuß und Hand ein Hauptpunkt?
2) I< sei kein Physiologe, sondern Zoologe. Hierauf möchte ich zUr
Orientirung meiner Leser dreierlei anführen :
a. Vor 6 Jahren berief mich auf Antrag des Lehrerkonvents das
hiesige Ministerium als Lehrer der Physiologie an die hiesige Thier-
arzneischule =- doch wohl auf Grund der von mir dargelegten Qualifikation
in diesem Fach.
b. Kurz nachdem ich obiges Lehreramt angetreten, saß ich mit einem
anerkannt bedeutenden Physiologen Prof. Dr. J. Ranke, Verfasser des
verbreitetsten Lehrbuchs der Physiologie des Menschen, im Rathhausfkeller
zu München und sette ihm meine mir damals erst dämmernden physiolo-
gischen Probleme auseinander, die ihn in hohem Maße interessirten. Bei
einer Pause äußerte er: „Sie sind unter allen Physiologen derjenige, der
am meisten gesehen hat, und deshalb werden Sie Dinge finden, die uns
andern bisher entgangen sind.“ J< entgegnete: „Wie können Sie das
sagen, ich besiße nicht einmal ein Laboratorium!“ Antwort: „Was sehen
wir denn in unseren Laboratorien ? Hunde, Kaninchen, Frösche, Tauben
und Meerschweinchen und noch dazu diese in absolut unnatürlichen Verhält-
nissen und Sie haben vom JInfusorium an bis hinauf zum Menschen alles
gesehen und zwar in voller ungetrübter Lebensthätigkeit, darum beneide ich
Sie." J< gestehe, daß diese ermunternde Aeußerung aus so kompetentem
Munde eine große Rolle bei der Zuversicht spielte, mit der ich von da an
meine Forschungen fortseßte und ich spreche hiemit meinem Freund Ranke
öffentlich meinen Dank für dieses Encouragement aus.
6. Meine erste Arbeit auf hygienisc<hem Gebiet war mein Buch:
„Die menschliche Arbeitskraft, München, Oldenbourg 1878“,
Veber dieses Buch schreibt ein Fachblatt, die Wiener medizinische
Presse, Jahrgang 1878 Nr. 35 folgendes:
. . » » Was aber dem Werke einen ganz besonderen Werth verleiht, das
sind die hygienischen Grundsätze, welche der Verfasser ebenso scharfsinnig als un-
gezwungen aus den neuesten Forschungsergebnissen ableitet. Hier haben wir es
mit einer populären Darstellung zu thun, die eben nicht abgeschrieben ist, und
in welcher ein origineller Denker und Beobachter mehr Beachtenswerthes nieder-
legt, als man sonst in zehn Jahrgängen von gelehrten Akademieschriften zu finden
hoffen darf. .
Neuestens hat nun Herr Dr. Niemeyer, anstatt der Wahrheit die
Ehre zu geben und seine Fehler einzugestehen und gut zu machen, seine
Opposition fortgeseßt, sich aber dabei auf Bahnen begeben, auf denen ich
ihm von jetzt an nicht mehr folge. Lediglich um meine Leser und Freunde
zu orientiren, theile ich darüber folgendes mit.
Am 26. Oktober erhalte ich nachstehenden Brief eines Berliner
Wollenen:
„3<h komme soeben von dem Vortrag des Dr. Paul Niemeyer aus
der Berliner Schneiderakademie und entschuldigen Sie, wenn ich offen sage,
es ist die höchste Zeit, daß Sie nach Berlin kommen, weil sonst das Ver-
ständniß beim gemeinen Mann für das Wollregime ganz verloren geht,
denn es ist gar kein Wunder, wenn man die Vorträge Niemeyers mit an-
hört. I< besitze nicht die Gabe, Ihnen einen Auszug des Vortrags wieder-