Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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der Neuzeit, einen großherzogl. badischen Eisenbahnwagen zweiter Klasse. 
Wenn man bereits 42 Stunden krumm geschlossen gesessen hat, so thut 
si<s nicht länger, man will liegen, besonders wenn es Nacht ist und 
man das hinter sich hat , was ich leistete. Bis Heidelberg betheiligte 
ih mich an d-1 gymnastischen Versuchen meiner drei Neisegefährten, 
eine erträg!l “> "osition zu gewinnen behufs eines Schläfchens; da es 
nicht ging, <2syloß ich „durchzuwachen“ und fuhr „ständerlings“ von 
Heidelberg bis Stuttgart, wo ich Morgens 3 Uhr anlangte. So kam 
es, daß ich von den 67 Stunden, die seit meiner Ankunft in Berlin 
verflossen waren, nur 7 Stunden geschlafen habe. =- Abends stand 
ich wieder auf meinem Katheder in Stuttgart, nur etwas heiser: das 
ist die Macht der Wolle und des Wollens. 
Aebexr unsere Normalartikel. 
Nachdem meine praktischen und neural-analytischen Studien über 
das Leder keinen Zweifel mehr darüber lassen, daß sämischgares 
Leder, falls es nicht durch Färbung verdorben wird, in seinen Eigen- 
schaften der Wolle sehr nahe kommt d. h. auf dem Körper in ähn- 
licher Weise wohlriechend wird, wie sie, so kann es in dieser Gestalt 
d. h. ungefärbt re<ht wohl zu Normalobjekten verwendet werden und 
zwar da, wo eben Wolle der geringeren Festigkeit wegen mißlich ist, 
z. B. zu Reithands<huhen, Reithosen 2c. Die Porösität der 
Wolle geht ihm allerdings in hohem Maße ab, deßhalb wird es stets 
als Bekleidungsmittel in zweite Linie zu stellen sein, allein ich habe 
doch veranlaßt, daß Herr Schmich von jeht auch Handsc<huhe von 
ungefärbtem Sämisch-Leder führt, worüber das Nähere in der Annonce 
zu lesen ist. Für Fußbekleidung habe ih das Sämisch-Leder jeht auch 
ausprobirt. Bei tro>enem Wetter ist ein solcher Stiefel sehr angenehm, 
im Sommer sogar auch bei nassem, da die Füße ganz angenehm warm 
bleiben , allein für naßkaltes Sudelwetter, wie wir es in der leßten 
Zeit so reichlich hatten, gehen sie eben doch nicht gut. I< gebe aber die 
Hoffnung nicht auf, einen wasserdichten Schuh fertig zu bringen, der 
zwar nie so gut sein wird, wie der poröse Tuchstiefel, aber doch einen 
erheblichen Fortschritt gegenüber den bisherigen „Koth- uud Wasser- 
stiefeln“ bilden wird. 
Bezüglich des Bettes kann ich ebenfalls einen Fortschritt melden. 
Nachdem iH die geradezu erstaunlihe Wärmekraft der naturbraunen 
Wolle sowohl am Kleid als beim Bett vollständig ausprobirte, habe 
ih die Normalbettmanufaktur veranlaßt, einen sehr dunkeln (fast 
schwarzen? dicken Teppichstoff aus ungefärbter Wolle weben und daraus 
Schlafsäce fertigen zu lassen, die auf der einen Seite einblättrig, auf 
der andern zweiblättrig sind und venen, behufs stärkerer Bede>ung der 
Beine am unteren Ende ein Fußpolsier aufgeknöpft wird. Dieser 
„Lustschlafsa>“ wie ich ihn hiemit taufe, erseßt das Couvert, beide 
Kaschmirtücher und den Fußsack, repräsentirt auf Reisen ein vollständiges
	        

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