Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

58 
einathmen zu lassen, trägt Dr. Jäger Trikothosen, einen Gürtel um den 
Leib (der an den Choleragürtel der Engländer erinnert) und einen Ro>, 
der wie der Rock des württembergischen Soldaten oder wie der Ueberro> 
des preußischen Offiziers am Halse schließt und über der Brust doppelt 
liegt, also an der Seite zugeknöpft ist. Dieser Ro>kschnitt ist von höchster 
Wichtigkeit, ihm schreibt 1)r. Jäger die auffallend geringere Sterblichkeit 
der württembergischen Soldaten zu. 
Hut, Halskragen, Handschuh, Stiefel =- die Sohle ausgenommen -- 
sind aus Wollstoff, oder die Stiefel doh mindestens aus ungewichstem 
weichem Leder zu tragen. Ein Mantel ist selbst bei großer Kälte unnüß. 
An der Form der Damenkleider hat Dr. Jäger nicht so große Aus- 
stellungen zu machen als an der Männertracht, die in wenigen Zeitperioden 
so unsinnig gewesen ist, als in diesem Jahrhundert. Er wünscht auf die 
Renaissance zurükzukommen und würde persönlich shon jezt weiter als 
biöher vorgegangen sein, wenn er nicht noch einige Rücksicht auf die liebe 
Schuljugend von Stuttgart nehmen zu müssen glaubte. 
Zur Durchführung seiner „Normalkleidung“ hatte Dr. Jäger natürlich 
zunächst seinen Schneider anzuleiten. Bald überschütteten Jägers Anhänger 
diesen Schneider mit Aufträgen, denn die Wenigsten vermochten es, die 
Vorurtheile ihres eigenen Kleiderkünstlers zu besiegen. Jett hat Dr. Jäger 
alle „Normalkleidungsstüke“ durch Schußmarken gesichert und an eine Rethe 
von Geschäftsleuten Konzessionen zur Anfertigung derselben ertheilt. „Und 
so bin ich zum Professor auf einmal noch Schneiderkönig geworden,“ sagte 
der Redner launig. Hieran knüpft sich aber sogleich eine Entgegnung auf 
die Vorwürfe, „daß der Professor Jäger sich damit befaßt, eine Waare an- 
zupreisen und zu Gunsten eines Geschäftes spräche“. Wie sollte er anders 
seine Erfindung für die Menschen nußbar machen ? Einerseits fordert er 
nur auf, sich dem Prinzipe anzuschließen, nachdem man es ernstlich geprüft 
hat und überläßt es selbstverständlich Jedem, sich die Kleider selbst herzu- 
stellen; andererseits kann man doch wahrlich Niemandem die Ausbeutung 
einer Erfindung vorwerfen, wenn er für einen angemessenen Preis eine 
Waare empfiehlt, die das leistet, was sie verspricht! 
Der Preis der Normalkleider bezw. Betten ist theilweise hoch genannt 
worden. Er ist es aber nicht, wenn man die Leistung der betr. Stücke 
mit berücksichtigt. Cs wäre überhaupt zu wünschen, daß wir Deutsche end- 
lich einsehen, daß die theuerste Waare = wenn sie preiswürdig ist -- 
immer die beste ist; das gilt auch besonders von dem, was wir unserem 
Körper anziehen. 
Weiter ist noch hinzuzufügen, daß die ganze große Frage noch nicht 
nach allen Verzweigungen hin als endgiltig abgeschlossen anzusehen ist. 
Zunächst stehen dem Urheber eine große Zahl von Anhängern als Beläge 
zur Seite, die zum Theil ganz überraschend gute Erfahrungen gemacht 
haben. Hierunter befindet sich selbstverständlich ein großer Bruchtheil 
Solcher, die sich krank dem neuen Regime in die Arme geworfen hatten 
und mit der einschneidenden Veränderung erst eine förmliche Wollkur durch- 
zumachen hatten. 
Auch gibt es allerlei Jndividualitäten, denen Dies oder Jenes nicht 
zusagen mag und für deren Bedürfnisse vielleicht noc< Neuerungen zu 
IM bleiben. 
- Schließlich fonnte der Redner nur Jeden, der der Sache über- 
haupt näher treten will, auffordern, nicht ohne Prüfung zu urtheilen
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.