Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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heißt im Jesaias „Niechfläs<h<hen“. Nefesch bedeutet also etwas Mate- 
rielles und etwas Riechbares; das immaterielle, unsterbliche ist der Geist. 
Christus am Kreuze empfiehlt seinen Geist pueuma, nicht seime Seele 
psyche, in die Hände seines Vater3. 
Erst die Scholastik des Mittelalter5 hat diese Begriffe verschoben 
und dabei Seele und Geist, die sich beide ihrer sinnlichen Wahrnehmung 
entzogen, nicht mehr gehörig auseinandergehalten. Es ist aber falsch, diese 
Worte zu verwechseln, und auch heute noch wird Niemand sagen: „geliebter 
Geist“ statt „geliebte Seele“, oder? „sie singt geistvoll" statt? „sie singt 
seelenvoll“ u. dergl. m. Die Seele fühlt, empfindet, der Geist denkt. Das, 
was man gemeiniglich dem Herzen zuschreibt, ist Seelenthätigkeit, das, was 
man in den Kopf zu verlegen pflegt, Geistesregung. So halten es alle 
Sprachen. Auffallend ist ferner, daß in den meisten Sprachen Worte vor- 
kommen, deren Bedeutung zwischen Duft, Geruch und Seele, zwischen 
riehen und empfinden wechselt. Nefesch = „Seele“ und auch „Duft“; 
baasch (hebräisch) = „stinken“ und auch „verhaßt sein“ u. A. m. 
Daß viele deutsche Worte und Redewendungen, theils auf das Stoff- 
liche der Seelendüfte, theils auf den Zusammenhang zwischen riechen und 
empfinden hinweisen, ist shon erwähnt; „Zorn verraucht“, „Jemand steht 
in gutem oder üblem Geruch“ u. s. w. 
Zur Etymologie des Wortes „Seele“ ist noch zu bemerken, daß im 
Deutschen und in vielen anderen Sprachen, im Sanskrit, im Slavischen, 
Griechischen, die „Scnüffellaute“ 8, 8scb, ch, die namentlich in den Aus- 
drücken für schmed>en, riechen gebraucht werden, auch in dem für Seele zu 
sezenden Worte wiederkehren z. B. zu den obigen nefesch und baasch: 
Sajala (sanskr.), duscha (slav.), psyche (griech.), alle zu deutsch: „Seele“. 
Kehren wir nun zu der alten bestimmten Auffassung von der „Seele“ 
zurük, die wir als den Träger unserer Gemeingefühle anzusehen haben, 
und denken wir an den untrennbaren ursächlichen Zusammenhang, in welchen 
Dr. Jäger Geruch und Gemeingefühle bringt, so verstehen wir, warum 
und mit welchem Rechte er sagt: er habe die Seele entde>t, denn sie gäbe 
sich ihm =- und Jedermann -- jederzeit durch Geruch zu erkennen. 
Zum Sclusse forderte der Redner die Zuhörer auf, zur Natur zu- 
rüzukehren, dort die Richtigkeit seiner Behauptungen zu prüfen und uns 
des Sinnes zu bedienen, nach dem die ganze Thierwelt sich vorzugsweise 
richtet und der uns fast abhanden zu kommen drohte. =- 
Au3 den Besprechungen, die beiden Vorträgen folgten, und unter 
Benutzung der obige Vorträge direkt betreffenden Schriften gebe ich hier 
noc< zwei Andeutungen als Ergänzungen. 
1) Der eminente praktische Nuten der „Seelen-Riec<h-Theorie“ liegt 
nahe. Jeder Beobachter lernt nicht nur sehr bald eine große Reihe von 
„Düften“ unmittelbar erkennen, die wir bisher nicht zu beachten pflegten, 
sondern durch Benutzung des Nervenmessers werden eine Unzahl von Dingen 
erkannt, denen bisher “schwer oder auch gar nicht nahe zu kommen war. 
Die allermeisten Krankheiten werden sich voraussichtlich riechen lassen ; zahl- 
lose Stoffe werden, wenngleich nicht <hemisch analysirt, so do< nach ge- 
wissen Richtungen hin sofort erkannt und von anderen unterschieden werden, 
Ein Beispiel für viele: Es schreibt Jemand dem Dr. Jäger, er habe seit 
Kurzem starkes Kopfweh, merkwürdigerweise falle der Eintritt desselben mit 
der Anschaffung des neulich gekauften Hutes zusammen. Anbei der Hut, 
Dr. Jäger riecht an dem Hut, tastet an der Nervenuhr und antwortet:
	        
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