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4) Bei der reinen Wolle kommt zuerst der Unterschied zwischen
Naturwolle und Kunstwolle, erstere langfaserig, im Besitz der
vollen Kraft und theuer, lektere kurzfaserig, abgetödtet, deßhalb wenig
haltbar, aber billig, in Betracht.
Seit bei unserer Industrie die von Reuleaux als „billig und
schlecht" bezeichneten Prinzipien zur Herrschaft gelangten, bildet die
Zumengung der billigeren aber schlechteren Kunstwolle zur Naturwolle
ein vorzügliches Mittel, um immer billigere, aber immer schlechter
werdende Bekleidungsstoffe zu Markt zu bringen. Bei den rechtwinklig
gewebten Tuchen und Stoffen ist nun dieses Einpanschen von Kunst-
wolle in weit höherem Maaße technisch möglich, als bei den auf dem
Rundstuhl gewebten Trikot38, bei denen der Faden eine viel größere
Festigkeit haben muß. Schon hiedurch erweiterte sich die Kluft zwischen
den Preisen gewöhnlicher Tuch- und Stoffanzüge und denen von Trifkot-
anzügen ganz erheblich.
2) Leidet die Trikotweberei der Oberkleiderstoffe daran, daß bei
der geringsten Unregelmäßigkeit im Funktioniren der komplizirten Maschine
ein meist die ganze Stoffbreite durc<hziehender Fehler im
Gewebe entsteht, und zwar ein ganz auffällig sichtbarer Fehler. Passirt
das bei einem Stü> auch nur ein paar mal, so kann der Schneider
dem Weber nicht den vollen Preis zahlen, weil er beim Heraus-
s<hneiden der Kleider diese Fehlstellen unbedingt umgehen muß, so daß
er viel Abfall hat. Häufig genug aber kommt eine solche Häufung der
Fehler vor, daß das ganze Stück verdorben und unverkäuf-
lich ist. Dieser fatale Umstand hat shon manche Fabrikanten veranlaßt,
die Fabrikation solcher Stoffe wieder aufzugeben, denn wenn der Mann
soll bestehen können, so muß er die Verluste, die ihm verdorbene Stücke
bereiten, dadurch decken, daß er sie auf die Preise der gelungenen Stücke
schlägt, wodurch natürlich deren Preis bedeutend steigt. Dieser Umstand
wird noch dadurch erschwert, daß solche theureren Stoffe, weil auch eben
der Käufer aus Unverstand nur nach Billigkeit kauft, geringen Absaß
haben, also auch für den Fabrikanten aus diesem Grund kein lohnender
Artikel sind. So fällt der Hauptsporn, eine Vervollkommnung der
Technik anzustreben, für ihn weg.
Eine ganze Serie neuer Hindernisse brachte das Farbstoff-
regime. Erstens hatte mit diesem die natürlich immer gefärbte bil-
lige Kunstwolle ganz vom Scauplaß zu verschwinden
und der theureren Naturwolle zu weichen. Zweitens, da Naturweiß
nur eine beschränkte Anwendung finden kann, so ist man auf die Wolle
sc<warzer Schafe angewiesen, und damit entsteht folgende Sc<hwie-
rigkeit :
; Schwarze Schafe giebt es erstens wenige, zweitens sind sie sehr
verzettelt, so daß man die Wolle in lauter kleinen Partien auffaufen
muß. Drittens zeigen die aus verschiedenen Gegenden bezogenen schwar-
zen Wollen nicht blos große Unterschiede in Feinheit, Kräuselung 2c.,
jondern auch noch in der Farbe. Es ist also absolut nothwendig, um