Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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Lust zum trinken.“ Nichts natürlicher als das, denn schon das Sprüch- 
wort sagt „der Tod schmeckt bitter.“ Das halten natürlich unsere hoch- 
weisen Schulmeister und Bücherwürmer für figürlich, weil sich keiner die 
Mühe nimmt, einen Todten abzule>en. 
Seite 229: „um dem Manne Liebe zu seinen Kindern einzuflößen, 
gießt die Frau 9 Tage lang von dem Harne derselben in das Wasser, 
mit welchem sich jener wascht.“ Appetitlich ist das natürlich nicht, aber probat. 
Seite 231 steht: „Kämme, Messer und Tücher, deren man sich zum 
Rasiren und Kämmen eines Todten bedient hat, müssen demselben in den 
Sarg mitgegeben werden, sonst fallen denjenigen, welche sich ihrer nachher 
bedienen, die Haare aus.“ 
Ob das richtig ist, weiß ich nicht, es beweist nur, daß das Volk 
stet3 ein offenes Verständniß dafür hatte, daß Krankheit nicht, wie der 
Abgott der modernen Mediziner, Vir< ow, sagt, „eine dynamische Erschein- 
ung“ ist, sondern ein Stoff, der an allem haftet, was mit den Kranken 
oder Todten in Berührung gekommen ift. 
Allmälig gelangen allerdings auch unsere Mediziner zu dieser Ein- 
sicht, wie nachstehender, mir zugekommener Zeitungsausschnitt beweist: 
„Die Sektion für öffentliche Gesundheitslehre des Wiener medizinischen 
Doktoren-Collegiums zog vorgestern einen Gegenstand in Berathung, der geeignet 
ist, die Aufmerksamkeit des Publikums und der kompetenten Behörden zu erregen. 
Es handelt sih um einen Antrag des Dr. J. M. Loebl, daß Friseure und 
Raseure verhalten werden, ihre Utensilien einer wirksamen Dezinfek- 
tion nach jedesmaligem Gebrauce zu unterziehen. Da3 Dezinfektionsmittel 
müßte eine Sublimatlösung (1: 500 bis 1000) sein, nachdem dasselbe keinen 
Geruch (?) haben, nicht färben und die Utensilien nicht beschädigen dürfe. Der Jn- 
haber eines Friseurladens müßte verpflichtet sein, ein Porzellan- oder Glasgeäß 
in seinem Lokal zu haben, groß genug, um darin seine sämmtlichen Bürsten und 
Kämme, Rasirmesser und Scheeren, Haarkräusler 2c. unterzubringen. Bei jedem 
Gebrauche werden die nöthigen Gegenstände herau8genommen und mit einem 
die Flüssigkeit leicht aufsaugenden Tuche abgetro>net. Wa38 die Kontrole der 
Behörde anbelangt, so wäre es genügend, wenn hierzu autorisirte Organe von 
Zeit zu Zeit das vorgeschriebene Mittel auf Qualität und Quantität untersuchen. 
Die gewissenhafte Durchführung der Maßregel würde das Publikum selbst kontro- 
liren, vorausgesebt, daß ihm Ziel und. Zweck derselben bekannt ist. Die angeregte 
Maßregel dürfte in Wien schon in der nächsten Zeit Geltung für das präktische 
geben erlangen3 es wäre zu wünschen, daß sie bald die allgemeinste Verbreitung 
fände.“ 
I< bemerke zu obigem blos das: ich will nicht die ganze Des- 
infektion5praxis verdammen, aber soviel ist gewiß: Sublimat ist ein heftiges 
Gift, und es ist sehr fraglich, was besser ist, hie und da einmal der Gefahr 
einer Infektion ausgeseßt zu werden, oder mit apodiktischer Gewißheit einer 
<hronishen Quedsilber- Vergiftung anheimzufallen, die nicht ausbleiben kann, 
wenn einer fortgesebt in 2iner solchen Giftbude sich rasiren läßt. Es ist 
unglaublich, zu welchen Extravaganzen diejenigen Aerzte kommen, welche 
gegen die Krankheiten nur mit Giften zu Felde ziehen. Nächstens ist 
Niemand 'mehr vor dieser Vergiftungsmanie seines Lebens sicher. 
Kleinere Mittheilungen. 
-“" Entdeferschisale: "Ein" Leser" ves" Momnätsblattes schreibt mix; er 
habe vor längerer Zeit folgendes gelesen? “ 
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