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Manne nicht verlangen, daß er in den ersten Jahren seiner Praxis solch ketzerischen
Richtungen Toleranz entgegentrage, Aber gottlob habe ich mir den Bli doch
nie so trüben lassen, daß ich mich selbst gefragt, sollte denn nicht auch auf
gegnerischer Seite ein Körnehen Wahrheit vorhanden und sollte es denn nicht
praktisch gleichwerthig sein, als ob ic< meinen Patienten auf dem Wege der
Allopathie oder der Homöopathie oder mittelst eines Hausmittels der Heilung
entgegenführe, wenn ich ihm überhaupt nur helfen kann ? Wie viel Unheil hat
doch dieses Herumreiten auf „Schulweisheit“ schon angestiftet!
Nach dem Grundsatz : prüfet alles und das Beste behaltet, habe ich in
letzter Zeit auch Anthropinkügelchen angewendet und kann von Anthropin Nr. 1
sagen, daß dasselbe u. A. einem mir bekannten, in der Mitte der 30ger Jahre
stehenden, kräftigen Manne, der manchmal an verstimmten Magen leidet, wie er
von schlechtem Bier oder verschiedenerlei , niht zusammenpassenden Speisen her-
rührt, dreimal alsbald so gut gethan, daß ich ihm einen Eylinder habe bestellen
müssen. J< beabsichtige daher fortzufahren, dieses und die in ihrer Zusammen-
sehung und Anwendungsweise ähnlichen homöopathischen Mittel in den Kreis
meiner Prüfung hereinzuziehen, unbekümmert um die Anfechtungen, die keinem
erspart bleiben, der, wenn auch auf Grund seiner Ueberzeugung jeine Meinung
modifizirt, seinem Handeln eine andere Richtung gibt. Erleichtert wird letteres
in diesem Falle dadurch, daß uns Jäger aufgede>t hat, wie und daß diese
homöopathische Nichtse wirken. Wer bisher daran gezweifelt, dem konnte es am
Ende nicht verübelt werden, aber wer auch ferner sich in der Thomasrolle gefällt,
nachdem die Sache auch mathematisch (<ronoskopisch) nachweiSbar sich heraus-
gestellt, der wird dem Vorwurf eitlen Pharisäerthums und dem Schisal, mit
der Zeit kalt gestellt zu werden, nicht entgehen können. =- Lassen sich mit dem
Anthropin ähnliche Erfolge erzielen, wie mit der Wolle, so steht demselben eine
glänzende Zukunft bevor. I< darf vielleicht in Betreff letzterer erwähnen, daß
ich nach keinem Sommer, wenn die Temperatur so hohe Grade erreicht hatte,
wie in den ersten zwei Drittel des letztverflossenen Monats, mich jede Nacht
eines so ruhigen, erquienden Schlafes erfreute, wie dieses Jahr, zwischen
Kameel- und Schafwollde>e eingebettet =, daß ich nach keinem Sommer in den
Nachmittagsstunden zwischen 1 und 5 Uhr mit so freiem, uneingenommenem
Kopf arbeiten konnte, wie in den Wochen dieses Heumondes, daß meine Schweiß-
absonderung und mein Durstgefühl sich gegen früher wesentlih vermindert, und
der Schwellenwerth des Zornes erheblich höher gelegt worden.
Auf der andern Seite kann ich mich nicht entschließen, nun gewisse sog.
allopathische Mittel wie Tannin, Chinin, Opium u. s. w., welch letzteres, neben-
bei gesagt, in der Psychiatrie als „wahrhaft spezifisch gegen Angst und ängst-
liche Aufregungszustände“ (Krafft-Ebing) geschäßt wird, die ich schon so und so
oft erprobt gefunden habe, über Bord zu werfen! Ob 3. B. ol. trbuth. erud.
innerlich von der Homöopathie angewendet wird, weiß ich nicht; aber letzten
Winter hat mir das Oel, in Milch suspendirt, hartnäckige eitrige Bronchitiden
so unzweifelhaft vertrieben, daß ich es jederzeit wiederholen werde, so lange mir
nichts Besseres bekannt. Oder ein anderer Fall: ein mir bekannter homöopath,
Arzt hat einmal in den in Württemberg erscheinenden homöopath. Monatsblättern
ein abfälliges , ganz allgemein gehaltenes Urtheil über die Karbolbehandlung
abgegeben. Je nun, es ist wahr, die Karbolbehandlung leistet nicht immer und
nicht alles, was man manchmal von ihr verlangt und bei Panaritien, die ich
sonst mit allen möglichen modernen und modernsten Verbandwässern behandelt,
empfehle ich schon seit geraumer Zeit das mindestens ebenso gut wirksame, aber,
wenigstens für meine Patienten , bequemere und billigere Kamillentheebad,
mehrmals täglich. Allein wird deswegen jemand einen Stein gegen mich auf-
heben, wenn ich heute ein in meine Behandlung kommendes skrophulöses Ge-
schwür mit Karbolvaseline (1 : 10) bedeckte, weil mich die Erfahrung gelehrt, daß
der Kranke auf diese von seinem uleus eito, tuto und wenigstens nicht in-