Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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shaft angenommene Molekulartheorie sich als unhaltbar erweise. Auf die von 
ärztlicher Seite aufgeworfene Frage, warum denn gerade der Haarduft zu diesen 
Pillen benußt werde, da do<M auch der spezifische Duft des Menschen sich in an- 
deren Theilen des Körpers finde, erwidert Prof. Jäger, daß zur Herstellung der 
Pillen alle epidermialen Anhängsel benußt werden könnten, das Haar jedoch am 
praktischsten zu verwenden sei. = Prof. Jäger weist auch darauf hin, daß der 
Geruch über Alles, was unserem Körper zuträglich oder nactheilig sei, den besten 
Aufschluß gebe. Leider haben sich aber die Menschen gewöhnt, die Nase nicht mehr 
zu gebrauchen. Viel zu wenig werde in den Schulen auf Ausbildung der fünf 
Sinne Gewicht gelegt und vor allen Dingen erfahre die Nase zum Schaden der 
Menschheit eine stiefmütterlihe Behandlung. =- Auf die vielen Fragen und Er- 
widerungen, wie überhaupt auf die mehrstündige lebhafte Diskussion genauer ein- 
zugehen, ist an dieser Stelle niht möglich, obgleich viel des Interessanten zur 
Sprache kam.“ 
Meine zwei ersten Vorkragsreisen. 
Auf die zwei Monate Oktober und November wurden im Herbst 
vier Vortragsreisen anberaumt, von denen. im Moment, da ich dieses 
schreibe, zwei abgewickelt sind. I< referire in Folgendem kurz darüber. 
Die erste Reise galt Bremen, Oldenburg, Bremerhaven und 
Hannover. In Bremen, wo ih Morgens halb 7 Uhr ankam, über- 
raschten mich etwa 30 Wollene, die zum Empfang und als Beleg 
dafür erschienen waren, daß unsre Sache in Bremen bereit3 sicheren 
Boden unter den Füßen hatte. Dies zeigte sich auch gleich bei der 
am Vormittag stattfindenden Weinprobe, über deren Erfolg oben 
bereits berichtet ist. I< füge dem nur no< bei, daß derselben 
auc< Kritiker genug beiwohnten und der Rathskellermeister selbst 
den Humanisirungseffekt konstatirte. Ueber den Vortrag lasse ich 
den Artikel der Bremer Nachrichten vom 9. Oktober sprechen, natür- 
lih mit Hinweglassung des mittleren sachlihen Abschnittes. Der 
Anfang des Artikels lautet: 
„Professor Dr. G. Jäger aus Stuttgart hielt vorgestern Abend im 
Kaisersaale des Künstlervereins vor einem zahlreichen Auditorium einen zw ei- 
stündigen Vortrag über sein „Woll-Regime“. =- Prof. Jäger ist eine ge- 
drungene, feste Gestalt, die troß ihrer 52 Jahre eine außerordentliche Frische, Ela- 
sticität und Kraft zeigt. Um seine Bekleidungsreform zu demonstriren, batte der- 
selbe einen geshmakvollen Anzug angelegt, der, abgesehen von kleinen Nebendingen, 
seinem Jdeal entspricht, aber vor der Hand wohl wenig Aussicht auf allgemeine 
Einführung haben wird. Unwillkürlich wird. man bei dieser Erscheinung an das 
Bild des „Rattenfängers von Hameln“ erinnert. Kurzer, zweireihiger Ro> mit 
Leibgurt, an der Seite ein kleines Ledertäsch<hen und eng anliegende Tricothose 
s<müden den Körper, ein runder weicher Hut mit stolzer Feder den Kopf. Wie 
die Kinder der guten alten Stadt Hameln unwillkürlich) der Pfeife des wunder- 
baren Mannes folgen mußten, so zieht Prof. Jäger überall da, wo er redet, eine 
große Schaar „Bekehrter“ zu sich herüber, aber er führt sie nicht in den unheil- 
vollen Berg zum Untergange, sondern in die Wolle und damit ins Elysium ewiger 
„Lustgefühle“. Glü> auf! = Prof. Jäger ist ein gewandter Redner. In frischer, 
geisraher Weise behandelt er sein Thema, er weiß seinen Vortrag durch sprühenden 
Wib, schlagfertige Aeußerungen, originelle Vergleiche zu würzen und versteht es 
vortrefflich, seine Zuhörer. zu fesseln.“
	        

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