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ob arsenfreie Anilinfarben ohne sanitäre Bedenken zu allen Zwecken der
Wollenindustrie verwendet werden können? mit „Ja“ zu beantworten.
Meine Meinung aber ist diese: Nicht derjenige Farbstoff, welc<er erfor-
derlich ist, um auf der Faser die gewünschte Farbe zu erzielen, ist gefähr-
lich (der Gesebgeber läßt mit vollem Recht sogar Arsenikbeizen zu, welche
zur Fixierung bestimmter Farben notwendig sind), sondern der überschüssig
anhängende, welcher seinen Beruf verfehlt hat und, statt die Faser , den
menschlichen Körper und das Waschwasser färbt. Jst nun der Färber
außer stande, die überschüssigen Anilinfarbstoffteilhen nach dem Färben
dur< gute Spülung zu entfernen, <- gewalkt werden ja nur sehr wenige
Leibwäscheartikel nach dem Färben, -- fo sollte er für diesen besonderen
Zwe, so unbequem es ihm auch sein mag, zu den alten Farbstoffen
zurücgreifen, welche erfahrung5mäßig allen sanitären Anforderungen ent-
sprechen, zu den Farbstoffen aus dem Pflanzen- und Tierreich ; denn diese
geben jeden Ueberschuß mit Leichtigkeit an das Spülwasser ab. 2
Eine spätere Nummer des Wollengewerbes (Nr. 24) schreibt über
den gleichen Gegenstand:
Zur Frage 73 in Nr. 18. =- Die in Nr. 20 erteilte Antwort auf
qu. Frage habe ich mit größtem Interesse gelesen, und bin ich dem Herrn
Verfasser, einem ersichtlich gediegenen Praktiker, -äußerst dankbar für seine
treffliche Darlegung. Sein Fall de>t sich fast mathematisc) mit einem
Vorgang, der mir vor einer Reihe von Jahren in Aachen passierte, und
wobei es sich ebenfalls um gefärbte wollene Leibwäsche handelte. Ziemlich
genau dieselben Erscheinungen, wie in Nr. 20 geschildert, traten auch da-
mals ein. I< nahm derzeit sofort Gelegenheit, über den Fall mit unseren
ersten deutschen Kapazitäten auf dem Gebiet der ärztlihen und <emishen
Wissenschaft zu sprechen (Berliner und Leipziger Autoritäten) ; die Herren
erklärten die krankhaften Erscheinungen, welche ebenfalls dur< absolut arsen-
freie Anilinfarben hervorgerufen, schon damals fast genau ebenso, wie der
Herr Verfasser in Nr. 20 dies thut. I< freue mich über diese Ueberein-
stimmuna um so mehr, als eine gewisse Spezies von oberflächlichen Leuten
(deren es in unserem Zeitalter leider nur zu viel giebt) es sich zum Grund-
jaß gemacht hat, jede durch irgendwelche Farbeneinwirkung hervorgebrachte
Krankheitserscheinung stumpfsinnig zu leugnen und bezügliche Mitteilungen
über solche Vorkommnisse mit kindischem Spott oder geistreich sein sollenden
Impromptus zu überschütten, womit diese Leute sich aber dem gebildeten,
denkenden und gewissenhaft der Sache auf den Grund gehenden Fachmann
gegenüber das ärgste geistige testimonium paupertatis ausstellen. Möglich
auch , daß jene Leute durc< solhe3 Gebahren ihr eigenes Interesse zu
fördern wähnen, indem sie diensteifrig das vermeintliche Interesse dieser
oder jener Farbenfirma wahren zu müssen glauben. Fälle von heftigen
und gefährlichen „Entzündungen“ von Wunden 2c. (um den vielgesc<hmähten
Ausdruk „Vergiftung“ zu vermeiden) durc<h Farbstoffe kommen übrigens
öfter vor als man denkt. Im Lauf dieses Winters hatte 3. B. ein Gut3-
besiher aus Beer3dorf bei Leipzig eine Zehe erfroren. Das Leiden wurde
schließlich ein so bösartiges, daß zur Entfernung des erfrorenen Gliedes
eschritten werden mußte. Genaue ärztliche Untersuchung ergab, als der
Ke des Patienten troßdem schlimmer wurde, daß durch (anilinfarbige)
Strümpfe eine heftige Entzündung bewirkt war, und machte sich die Ab-