Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1892, Bd. 11, H. 1/12)

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oder überhaupt gleichartige Teile oder nicht. Fraglich bleibt dabei aller- 
dings, in welchem Zeitpunkt der Entwicklung des R Re uenn und aus 
welchen Ursachen (sofern dies nicht äußere, zufällige sind) die Ablösung des 
Sprößlings erfolgt. 
Hierauf eine Antwort zu geben, möchte ich wenigstens versuchen. 
Dasjenige, was das Wesen eines Organismus, sofern er nicht abgestorben 
ist, ausmacht, was alle Lebensvorgänge in ihm zuwege bringt, sind die 
Lebensstoffe, Bestandteile des ProtoplaSmas. Sie werden aus dem 
Protoplaöma frei, und zwar durch Zersetzung desselben, welche fortwährend 
vor sich geht, solange Lebensreize auf den Organismus einwirken, einzu- 
wirken im stande sind. Das Bewegungsspiel dieser Lebensstoffe bewirkt nun 
diejenigen Erscheinungen, welche wir Lebensäußerungen, Lebensprozesse 
nennen. Die Lebensstoffe sind nicht in allen Teilen eines Organismus 
von gleicher Beschaffenheit. Vor allen Dingen aber sind sie in den ver- 
schiedenen Individuen -- seien es auch solche derselben (Pflanzen- oder 
Tier-) Art -- von verschiedener Qualität. Hieran liegt es, daß jedes Jn- 
dividuum seine bestimmte Eigenart, seinen besonderen Charakter besißt. Die 
Lebensstoffe sind es auch, welche die Gestalt der Organismen bedingen. 
Dies alles hat Prof. Jäger in seiner „Entdekung der Seele“ nach- 
gewiesen. 
Ich denke mir nun, daß, wenn in einem Teile eines Lebewesen5 
sich Lebensstoffe von erheblich anderer Beschaffenheit als derjenigen im 
sonstigen Organismus entwikeln, so daß er im entschiedensten Falle auch 
eine eigenartige, von den übrigen Teilen des Organimus abweichende Ge- 
stalt aufweist = eine Absonderung und schließlich völlige Ablösung jenes 
Teiles von dem mütterlichen Lebewesen und eine Herausbildung desselben 
zu einem besonderen Individuum eintreten muß. Es ist dies ein Vorgang, 
auf den das früher vielfach gebrau<te und auch von Prof. Jäger in 
seinem eingangs erwähnten Werke herangezogene Wort „Verjüngung“ treff- 
ich paßt. " 
M der geschlechtlichen Fortpflanzung arbeitet nun meiner Auf- 
fassung nach die Natur -- um bildlich zu reden =- noc<h bestimmter und 
nachdrücklicher darauf hin, in einem Organismus einen bestimmten Teil so 
zu schaffen, daß er sich seiner- Eigenart nach nicht mehr in die Gesamtheit 
der Lebensvorgänge des Organismus schit; und sie thut dies auf die Weise, 
daß sie in dem fraglichen Teile Lebensstoffe von eigener spezifischer 
Beschaffenheit, eigener Individualität erzeugt. Wie geschieht das 
leßtere? =- Durch eine Umbildung (wenn ich so sagen darf) H Leben3- 
stoffe des genannten Organismus durch die Lebensstoffe eines anderen 
IJndividuums.*) Daß dem so ist, darauf weisen nicht nur- die von 
*) Der obigen Auffassung entspricht die Anschauung, welche Prof. Jäger 
von der Besruchtung hat, wenn er a. a. O. S. 212 sagt: „Sonach wäre die Be- 
fruchtung nicht bloß eine Vermehrung der Kernmasse durc<h Konjugation, sondern 
auch eine Verjüngung des Kerns und damit sekundär eine Verjüngung 
der ganzen Zellez“ oder späterhin a. S. 258: „Steigt die Empfindlichkeit (des 
Protoplasmas =- K F. J.) für die abändernden Anpassungsursachen , so sehen 
wir zunächst nur die Entwi>lungsfähigkeit (des Protoplasmas =- K. F. J.) 
aus dem Zustand der Evidenz in den der Latenz übergehen, so daß ein Ver- 
jüngn gebrauch erforderli< wird, um die Evidenz wieder her- 
zust ellen.“
	        

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