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Haut u. s. w. aus dem Körper entführt werden. Häufen sich diese Teile
im Blute an, so ist die gleiche Geschichte wie bei der Einatmung konzen-
trierter, also übelriechender Stoffe: das Allgemeinbefinden verschlechtert fich,
der Mensch wird krank, sieh. Gelingt es, diese Duftstoffe auszuscheiden
oder zu verdünnen, so tritt Gesundheit, Wohlbefinden, Genesung ein. Jäger
faßt dieses zusammen in die Schlagworte: „Gesundheit ist Wohlgeruch“,
„Krankheit ist Gestank“ oder „Krankheit ist Konzentration“, „Gesundheit ist
Verdünnung“. Bekanntlich haben Kranke einen üblen Geruch, so daß
Jäger auch da das Richtige traf. Was nun zur Verdünnung oder Aus-
stoßung dieses ganz richtig bezeichneten „Selbstgiftes“ dient, ist ihm will-
kommen: Schwitkuren, Bewegungskuren, Bäder zur Erregung der Haut-
thätigkeit u. |. w.
Soviel für den, der bereits krank ist. Wer gesund bleiben will, soll
nun alles meiden, was den Stand der Duftstoffe in seinem Körper erhöht.
Er soll also immer für reine Luft sorgen und dann für eine rasche Aus-
stoßung aller auszuscheidenden Teile. Dabei spielt nun die Haut eine so
vedeutende Rolle. Auf diese Weise kam Jäger zur Bekleidungsfrage.
Wa3 ven Hautausscheidungsvorgang unterdrückt, ist gesundheitsschädlich ;
z. B. ein wasserdichter Kautschukmantel wirkt nach kurzem Tragen bereits
auf die Stimmung verschlechternd. Leinenwäsche sog begierig die üblen
Riechstoffe an sich und gab sie besonders im warmen und nassen Zustande
an die Umgebung ab. Wer damit bekleidet in geschlossenem Raume ruhig
sibt, atmet also neuerdings einen Teil seiner Ausscheidung ein. Aehnlich
war es mit der Baumwolle und sonstigen Pflänzenfasern. Die Tierwolle
trug nun den Sieg davon. Sie behielt jene konzentrierten Duftstoffe nicht
an sich, sondern nur jene feinen hochverdünnten und daher belebenden, die
Jäger den Gesundheitstoff nennt. Damit war es aber noch nicht gethan.
Der Tierwolle hatten schon vor ihm Hufeland, Pettenkofer u. s. w.
die höchste gesundheitliche Wirksamkeit zuerkannt. Jäger schloß weiter:
wenn die Hautausscheidung das höchste erreichbare Maß erreichen soll, muß
ihr jedes Hindernis aus dem Wege geräumt werden. Daher ist er gegen jede
Art Fütterung der Kleider und verlangt für Ober- und Unterkleider Trikot-
stoffe, die der Ausscheidung das geringste Maß von Widerstand entgegenseßen.
Jägers Gegner und Neider haben sofort ihre Stimme erhoben,
daß Wolle verweichliche. Die genauesten Untersuchungen ergaben, daß nicht
die Wolle dey Sündenbo> war, sondern nur die age Befolgung der An-
ordnungen Jägers. Wer über dem Wollhemde ein gestärktes Leinenhemd
oder gefütterte Röcke trug, wodurch die flotte Hautausdünstung gehemmt
wurde, konnte mit Recht über Verweichlichung klagen ; aber die Wolle war
nicht schuld. Verweichlichung, d. h. das Weichwerden der Muskeln u. s. w.
entsteht durch die Aufspeicherung der konzentrierten Duststoffe im Körper.
Damit wird auch der Stand de3 Gewebewasser3 erhöht. Umgekehrt wird
durch eine flotte Entspeicherung dieser Duftstoffe der Körper entwässert und
abgehärtet, das Muskelfleifch viel straffer und das Gemeingefühl besser.
Jäger faßte bekanntlich die Vorzüge seines „Wollregimes“ in das
Schlagwort „wetterfest , seuchenfest , affektfest“ zusammen. Unsere Aufgabe
war hier nur, zu zeigen, welche Gründe ihn bestimmten, diese Bekleidungs-
art als die beste zu empfehlen. Darüber herrschen eben die absonderlichsten
Vorstellungen. Wer näheres davon wisien will, der lese sein Buch „Mein
System“ und die „Entde>ung der Seele“.