Kleine Mitteilungen
Der Verlauf der Tannenhäher-Invasion 1968
in Baden-Württemberg
Die dünnschnäbelige Rasse des Tannenhähers (Nucifraga caryocatactes
macrorhynchos) Sibiriens und Ostrußlands unternimmt in manchen Jahren
weite Wanderungen. Die letzten ganz großen Einflüge nach Südwest-
deutschland erfolgten im Herbst 1911 und 1954 (BACMEISTER 1913, HEER
1956). Erst der Sommer 1968 brachte wieder eine ungewöhnlich starke
Invasion, die sich auch in Baden-Württemberg mit größeren Zahlen be-
merkbar machte.
Der Eichelhäher, ebenfalls Invasionsvogel, hat wohl gleich echten Zug-
vögeln einen endogenen Jahresrhythmus mit festliegendem Beginn der
Invasionszugzeit (BERNDT und DANCKER 1960). Für den Tannenhäher
trifft dies, jedenfalls in dieser Form, nicht zu. Sechs Wochen früher als
sonst erschienen die ersten in Norddeutschland, auf Helgoland und Sylt,
die ersten schon am 3. August. Vorgewarnt durch norddeutsche Informa-
tionsdienste stellten etwa eine Woche später auch die süddeutschen Beob-
achter die Tannenhäher fest. Bereits am 9. August wurde der erste bei
Dorndorf nahe Ulm (ScHAPER mdl.), am 11. August ebenfalls einer bei
Ulm (F. BADER) und ein weiterer ziehend bei Miltenberg/Main (W. Hor-
LERBACH) beobachtet. K. SCHILHANSL sah am 183. August sechs nach SW
ziehende Vögel über dem Öpfinger Stausee. Nach einem ersten Ansteigen
im letzten Augustdrittel stellte sich der Durchzug als weitgehend ein-
gipflige Kurve dar, die langsam in den Wintermonaten auslief. Das in
Norddeutschland festgestellte Auftreten in zwei Wellen erfolgte bei uns
offenbar nicht.
181 südwestdeutsche Beobachtungen mit zusammen 346 Vögeln er-
geben eine durchschnittliche Truppgröße von 1,9 Individuen. Abgesehen
von größeren Zugtrupps wie den obengenannten sechs Hähern vom
Öpfinger Stausee und sieben hoch fliegenden am 25. September im boden-
seenahen Lauteracher Ried (Vorarlberg) wurden nie mehr als drei zusam-
men ziehende Häher beobachtet.
Zu größeren nahrungsbedingten Konzentrationen kam es in haselnuß-
reichen Gebieten, vor allem am nördlichen Albrand. So konnten allein im
Randecker Maar 99 Häher bei Tagessummen bis zu acht notiert werden.
Dabei kam es oft zu zufälligen Ansammlungen von drei Vögeln in einem
Haselstrauch (D. und W. GATTER, G. KAHLERT). Trupps von zusammen
etwa 25 am 15. September nennt D. RockEnBAUCH vom „Kalten Feld“ bei
Degenfeld. Recht regelmäßig wurde die Art auch bei Wiesensteig (O.
KröscHeg), Reutlingen (H. M. Kocm) und Bopfingen (E. HEEr) gesehen.
R. BRAUN nennt die Beobachtung eines Försters von etwa 15 Vögeln an
Haselsträuchern bei Rosenberg Kreis Aalen. H. KA1ser gibt für die Baar
und Umgebung „normale Zahlen“ an. Lediglich Anfang Oktober gab es
etwa 30 (B. OBERLE) im Raum Schonach-Triberg-Hornberg, wo Dick-
schnäbel nicht auszuschließen sind. Über Aufenthaltsdauern liegen kaum
zuverlässige Angaben vor, doch ist längeres Verweilen sicherlich nicht selten
oder gar die Regel, wie frühere Invasionen zeigten. Einen Vogel mit
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