65
Georges Cuvier'!
1769-1832
Von EMmI_L KUHN-SCHNYDER *
„L’histoire naturelle est une science de faits.“
(G. CuvIıeEr, 1828, S. 1)
Entscheidende Fortschritte in den Naturwissenschaften verdanken wir
nur wenigen Menschen. Ihre schöpferischen Ideen halten die Menschheit
in Atem und liefern einem Heer von Forschern Aufgaben für Jahrzehnte.
Zu diesen bedeutendsten Forschern aller Zeiten gehört unzweifelhaft auch
GEORGES CUuvIER, dessen Geburtstag am 23. August dieses Jahres zum
zweihundersten Mal wiederkehrte. Im gleichen Jahr wurden Napoleon,
dem er gedient, sowie ALEXANDER VON HumBoLDT geboren, mit dem er
freundschaftlich verbunden war.
Cvuvıer hat sich auf vier Gebieten bleibende wissenschaftliche Verdienste
erworben. Es sind dies:
1. die vergleichende Anatomie,
2. die Wirbeltierpaläontologie,
3. die Klassifikation des lebenden Tierreiches,
4. die Geschichte der Naturwissenschaften.
Diesen vier Gebieten entsprechen die vier bedeutendsten Werke
CUvIERS:
1. Lecons d’Anatomie comparee (1. Aufl. 1800-1805),
2. Recherches sur les Ossemens fossiles (1. Aufl. 1812),
3. Regne animal distribue d’apres son organisation (1. Aufl. 1817),
1 Histoire des sciences naturelles (nach seinem Tode von MAGDELEINE
DE SAINT-AGY 1841-1845 herausgegeben).
Um das Werk Cvuvıers beurteilen zu können, gilt es festzustellen, aus
welchen Quellen er geschöpft und was er seinen eigenen Beobachtungen
verdankt. Es wird ferner notwendig sein, die Verhältnisse kennenzulernen,
unter denen er aufwuchs und später arbeitete.
GEORGES CUvIER ! wurde am 23. August 1769 zu Montbeliard (Mömpel-
gard) geboren, das damals zum Herzogtum Württemberg gehörte ?. Sein
Vater hatte Frankreich 40 Jahre in einem Schweizer Regiment gedient
und sich dann mit einer bescheidenen Pension nach Montbeliard zurück-
gezogen. wo er 1789 zum Kommandanten der Artillerie des Schlosses er-
1 Erweiterte Fassung eines Vortrages an der Jubiläumsveranstaltung des Ver-
eins für vaterländische Naturkunde in Württemberg e. V. zusammen mit der Stadt
Stuttgart am Donnerstag, dem 27. November 1969 in der Liederhalle Stuttgart.
? Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich, Künstler-
gasse 16, 8006 Zürich.
Jahreshefte d. Gesellschaft f. Naturkunde i. Württ. 1969