Kleine Mitteilung
Später Herbstzug der Rotdrossel (Turdus iliacus)
Der Oktober und besonders der größte Teil des Novembers 1973 wa-
ren recht mild, so daß bis 26. 11. 1973 Frost nur an einzelnen Tagen und
in geringer Stärke auftrat. Dadurch zog sich der Herbstzug wohl auch
überdurchschnittlich lange hin, ebenso die Ernte des reichen Obstbe-
hangs. Mit Monatsende setzte am Beobachtungsort (Korntal) plötzlich
starker Schneefall und Frost bis zu —16 °C ein. Die Schneehöhe stieg bis
15 cm.
In diesen Tagen (26. 11. — 4. 12. 1973) sammelten sich auf Obst-
baumwiesen des Gewanns Greutter nordwestlich Stuttgart-Weilimdorf vor
allem Wacholderdrosseln, vermengt mit Schwarzdrosseln, in Scharen zu
mehreren Hunderten und nährten sich von den noch massenhaft vorhan-
denen Äpfeln und Birnen, die den Boden bedeckten und teilweise auch
nicht abgeerntet waren. Die Gärten im nahen Grenzbereich Korntal-Weil-
imdorf boten ein ähnliches Bild.
Was die Drosselansammlung besonders interessant machte, ist die Tat-
sache, daß sich bis 5. 12. 1973 auch vereinzelte Rotdrosseln darunter be-
fanden. Im eigenen Garten konnte der Verfasser 1.—4. 12. 1973 täglich
sogar 10—12 Stück vom Fenster aus genau beobachten. Deutlich kennt-
lich waren der helle Augenstreif und bei stärkeren Bewegungen der Tiere
ihre roten Unterflügel. Letzteres kann dieser Drossel u.a. auch zur Be-
zeichnung „Weindrossel‘“ verholfen haben, wobei die Herkunft dieses Na-
mens noch strittig ist (KLEINSCHMIDT 1934, S. 50).
Die Lautäußerungen der Rotdrosseln erinnerten stark an den Gesang
von Erlenzeisigen (vgl. FEHRINGER 1950, S. 39). Dieser Vergleich war
umso einfacher, als sich solche gleichzeitig im Garten sowie am Futter-
brett eingestellt hatten und sich anschließend in 4—8 Exemplaren den
ganzen Winter über hier aufhielten. Überwinterungen der Rotdrossel sind
zwar bekannt (HÖöLzınGEr et al. 1970, S. 139). Doch dürfte es sich im
vorliegenden Fall um eine witterungsbedingte, vorübergehende „Massie-
rung“ während des Herbstzugs handeln. Denn trotz des im weiteren Ver-
lauf ganz abnorm milden Winters konnte im Januar und Februar 1974
keine Rotdrossel mehr festgestellt werden. Auch FRrIELING (1933, S. 29)
sagt von der Rotdrossel: „Selten Wintergast“.
FLOERICKE andererseits (1922, S. 252) bezeichnet die Rotdrossel als „in
Deutschland häufigen Wintergast‘“, wofür im Winter 1973/74 im Beob-
achtungsgebiet sowohl hinsichtlich Witterung als Nahrungsmitteln wie
angedeutet, die denkbar beste Möglichkeit bestanden hätte. Nun können
sich seit FLOERICKES Beobachtungen sowohl die Gesamtzahl der Rotdros-
Jh. Ges. Naturkde. Württ. 129 (1974)
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