Full text: Jahreshefte der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg (Bd. 138, 1983)

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RÜDIGER GERMAN 
einer heilen Umwelt und einem gesund funktionierenden Naturkreislauf inter- 
essiert sein müssen (Verursacherprinzip, Kostenminimierung). 
Doch wie steht es mit dem natürlichen Erbe, mit dem Zustand unseres 
Lebensraumes? Leider machen sich auch hier große Schäden bemerkbar. Was 
hat man daher bei uns bisher zur Verhinderung solcher Schäden durch Abgase 
veranlaßt? 
In früheren Jahrzehnten hatte es noch ausgereicht, Kamine so hoch zu bau- 
en, daß eine „schadlose“ weiträumige Verteilung der Feststoffe und eine angeb- 
lich „unschädliche“ Verdünnung der Gasbestandteile erfolgte. Dieses Vertei- 
lungsprinzip reichte früher aus, als im Grunde genommen nur in Teilen Euro- 
pas und Nordamerikas Industriegebiete lagen. Die übrigen Flächen der Erde, 
Festländer, wie Meere, sorgten Dank ihrer ökologischen Reserven — die wich- 
tigste Ressource unseres Planeten überhaupt — dafür, daß ein gewisser Aus- 
gleich, ein Regenerieren, erfolgte. Heute, nachdem wir unsere Techniken als 
vermeintliche Musterbeispiele hochstehender Zivilisation mitsamt ihren Män- 
geln für die Umwelt und den Naturkreislauf exportieren bzw. in die Entwick- 
lungländer mit den ehemaligen ökologischen Reserven gegen Geld zu bringen 
trachten, wird das Prinzip der antiquierten Beseitigung der Abgase weltweit 
verbreitet und damit lebensbedrohend. Zwar werden, wie erwähnt, die Abgase 
in den Industriestaaten in wachsendem Maße gereinigt, aber die Gesamtemis- 
sionen sind weltweit zu groß. Sie müssen drastisch gesenkt werden, am stärk- 
sten in den Industriestaaten. Inzwischen sind nämlich viele der früher vorhan- 
denen ökologischen Reserven, wie z.B. im Amazonasbecken, z.'T. vernichtet 
(z.B. durch Rodung des Waldes zugunsten von Ackerland und Straßenbau), 
meist durch ehrgeizige und auch fragwürdige wirtschaftliche Entwicklungs- 
projekte von Politikern und Wirtschaftsmagnaten. Die Folge ist: Die Natur 
verkraftet diese Abgase trotz oder wegen des alten Verteilungsprinzips, das frü- 
her bei geringen Emissionen ausreichend war, trotz Einbau von Filtern in den 
Kaminen nicht mehr. Ein lokal einmal vertretbares Prinzip führte, weltweit 
angewandt, schließlich zu Schäden: Abgase bilden zusammen mit dem Regen 
eine Säure. Gelangt solcher saure Regen auf den Erdboden oder in Seen, führt 
dies zu Schäden bei Organismen (Wald bzw. Schäden am Körper oder besorg- 
niserregende Veränderungen z. B. im Fischbestand skandinavischer Seen) und 
bei Bauwerken. Die dadurch festgestellte irreversible Verarmung des Artenbe- 
standes, also ganzer Tiergruppen, nicht nur zahlreicher Individuen, verschlech- 
tert unsere Überlebenschancen. Letztere werden vielmehr durch einen mög- 
lichst großen Bestand anı verschiedenen Tier- und Pflanzenarten gesichert. Dies 
wird am besten deutlich, wenn wir bedenken, welche riesigen Zerstörungen 
durch Schädlinge in Monokulturen gerade wegen des Anbaus nur einer einzi- 
gen Art (z. B. Weizen, Fichte usw.) entstehen können. 
Bei Nadelbäumen führt der saure Regen in wachsendem Maße zum Abster- 
ben. Hier droht großer volkswirtschaftlicher Schaden. Denkt man aber auch 
an den ökologischen Schaden? Hier tickt nämlich eine beachtliche Zeitbombe, 
weil die Ursache ja kaum schnell abgestellt werden dürfte. Es ist daher müßig, 
ja rausgeworfenes Geld, bzw. gedanklich ein falscher Ansatz, wenn immer 
höhere Kamine zur besseren Verteilung der Schadstoffe verlangt oder gebaut 
werden. In Nordamerika ist jüngst ein über 400 m hoher Kamin fertiggestellt 
Jh. Ges. Naturkde. Württ. 138 (1983)
	        
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