Geologie in der Antarktis, Beispiel Victorialand
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2. Schritte auf dem Weg zur Gondwana-Rekonstruktion
2.1. Erstes Bild der Orogenesen Victorialands und
seine Modifizierung
Das Expeditionsemblem von GANOVEX III (Abb. 17) zeigt etwas sche-
matisiert die Gesteinsfolge Victorialands: Das Grundgebirge besteht aus gefal-
teten Schiefern und Metamorphiten, intrudiert von verschiedenen Graniten
und Granodioriten. Das Grundgebirge wird nach Faltung und Intrusion dis-
kordant von horizontal bis flach lagernden Schichten festländischen Perms,
das als „Beacongruppe“ Tillite, Sandsteine und Kohlen umfaßt, abgeschnitten.
Abgeschlossen wird die Gesteinsfolge von jurassischen Vulkaniten (Dolerite).
Die Verteilung dieser Gesteinsformationen ist auf Abb. 12 dargestellt: Die
gefalteten Gesteinseinheiten des Grundgebirges sind in NW —SE-verlaufenden,
durch Störungszonen voneinander getrennten Streifen angeordnet: Im Westen
und Südwesten Hochkristallin unbekannten Ausgangsalters, im Nordosten eo-
kambrische Schiefer und Metagrauwacken der sog. Robertson-Bay-Gruppe,
dazwischen als relativ Jüngstes grabenartig eingesenkt die kambro-ordovizi-
sche Sedimentfolge der Bowers-Gruppe.
Nach Auffassung früherer Autoren (z. B. CRADDOCK, 1970) sollten diese ver-
schiedenen Grundgebirgseinheiten Victorialands in unterschiedlicher Weise
von verschiedenen Faltengebirgsbildungen (Orogenesen) betroffen worden
sein (Abb. 12, 16): Ganz Victorialand ist in die frühpaläozoische „Ross-Oroge-
nese“ einbezogen, die vor 450 bis 500 Millionen Jahren (Ma) zur Bildung des
Ross-Orogens führte, das die gesamte Antarktis durchzieht. Im Kristallinbe-
reich im Westen werden vor der Ross-Orogenese präkambrische Gebirgsbil-
dungen vermutet. Dort, wo westwärts die Ross-Orogenese ausklingt, beginnt
der „ostantarktische Schild“. Die fundamentale Grenze zwischen diesem alten
Kern des antarktischen Kontinents und seinen relativ jüngeren Anfaltungen
konnte jedoch bis jetzt nicht nachgewiesen und festgelegt werden, ihre Lage ist
umstritten. Der Nordoststreifen Victorialands sollte nach der Ross-Orogenese
von der mittelpaläozoischen „Borchgrevink-Orogenese“ überprägt worden
sein (Faltungsalter 350—400 Ma). In der übrigen Antarktis sind außerdem die
jungpaläozoisch-mesozoische Ellsworth- oder Weddellorogenese von Bedeu-
tung, deren Falten sich auf der gegenüberliegenden Seite des Kontinents mit
denen der Ross-Orogenese scharen, sowie die junge Anden-Orogenese, die den
Faltengebirgszug entlang der Pazifikküste schuf (Abb. 16).
Diese Anordnung und Abgrenzung der Faltengebirgszüge in Victorialand
führte zu der Gondwana-Rekonstruktion CraDDocks (Abb. 15) im Bereich
Australien/ Antarktis, wobei die Ostgrenze des antarktischen und des australi-
schen Schildes, das Ross- und das Adelaide-Orogen sowie das Borchgrevink-
und das Tasman-Orogen miteinander verknüpft wurden (vgl. auch Abb. 16).
Die Untersuchungen von GANOVEX I und II ergaben, daß im Nordost-
streifen Victorialands, wo sich frühpaläozoische Ross- und mittelpaläozoische
Borchgrevink-Orogenese überlagern sollten, nur ein Faltengebirge nachweis-
bar ist. Von NE nach SW nimmt hier ganz allmählich der sowieso schwache
Metamorphosegrad leicht zu (KLEINSCHMIDT, 1983), und im gleichen Sinne stei-
gert sich allmählich die Verformungsintensität, was sich u. a. in immer engeren
Jh. Ges. Naturkde. Württ. 139 (1984.