Nachrufe
Else
Frieß
Naturwissenschaftlerin, Pädagogii
Eıse Frısss wurde als Tochter des Oberreallehrers GoTTHILF Frısss und sei-
ner Ehefrau Anna, geb. Boss, am 16. September 1901 in Tübingen geboren.
1904 zog die Familie nach Stuttgart, wo ELse erst eine Mädchenschule, dann,
um zum Abitur (1920) zu kommen, eine Jungenschule besuchte.
Schon im Elternhaus bestand eine enge Verbindung zur umgebenden Um-
welt, so daß das Studium der Biologie vorgezeichnet war; ein zweites Haupt-
fach wurde die Chemie. Eise promovierte in Tübingen bei Professor HArms
mit der Arbeit „Untersuchungen über die Geschlechtsumkehr bei Xiphophorus
Helleri HeckeL“ (1933); es betraf die Umwandlung des weiblichen Schwertfi-
sches mit dem Laichfleck zum Männchen mit dem großen Schwert, einem
Fortsatz an der Schwanzflosse. Nach den Dienstprüfungen war Eıse an mehre-
ren Schulen in Stuttgart als Praktikantin tätig und kam 1935 als Assessorin an
die damalige Mädchenoberschule in Ulm. An dieser, dem heutigen Hans- und
Sophie-Scholl-Gymnasium, unterrichtete sie 39 Jahre Naturwissenschaften, bis
zum Jahre 1965.
Einhellig ist die Erinnerung der einstigen Schülerinnen und Kollegen: Frau
Dr. Frısss war eine ungewöhnliche, großartige Erzieherin und Pädagogin, die
eine ganze Reihe bestvorbereiteter späterer Arztinnen, Chemikerinnen, Apo-
thekerinnen, Schulbiologen an die Universität weitergab. Ihr Unterricht war
dynamisch, lebensnah, wissenschaftsorientiert, immer auf dem neuesten Stand
der Erkenntnis. Sie lehrte kritisch und selbständig zu denken, sie forderte und
erhielt echte Mitarbeit. Als sie sich bei einem Sturz im Gebirge am Rückgrat
verletzt hatte, unterrichtete sie, trotz großer Schmerzen, dank ihrer Selbstdis-
ziplin und Energie weiter, bis sie auf ein Jahr zur Ausheilung beurlaubt wurde.
An die Ideologie des dritten Reiches machte sie keinerlei Zugeständnisse und
hielt mit ihrer Kritik nicht zurück. Sie wurde nicht denunziert — sie genoß bei
Schülern und Kollegen eine hohe Achtung. Als sie 1965 in den Ruhestand ging,
kamen einstige Schüler und Kollegen oft nach Gruibingen, um sie dort zu be-
suchen.
Die Geschwister Frısss — der Ortspfarrer von Gruibingen, Eıse und die
jüngere Schwester GERTRUD (auch Oberstudienrätin, 1975) — hatten hier ge-
baut. 1961 war das Haus fertig, und es wurde zu einer Stätte der Begegnung.
Das Anwesen mit dem großen Garten, am Dorfrand in einem Braunjuratal ge-
legen, ist ein „Botanischer Garten“ im Kleinen: der umwachsene Tümpel, die
Trockenmauern, Obst- und Parkbäume mit Nistkästen, Beerenhecken (die
Ih. Ges. Naturkde. Württ. 139 (1984