( Jh. Ges. Naturkde. Württemberg | 147. Jahrgang | Stuttgart, 15. Dezember 1992 |
Nur selten „saurer Regen“ in Ludwigsburg
Von HELmuT Gres, Ludwigsburg
Bei der Suche nach den Ursachen des Waldsterbens spielt der „saure Regen“
seit Jahren eine wesentliche Rolle, ja er wurde anfänglich z.T. sogar als ent-
scheidender Faktor betrachtet. Daß dem zumindest in großen Gebieten nicht
so ist, wird derzeit kaum mehr bezweifelt, vor allem, wenn man die indirekte
Einwirkung des Regens über das Medium Boden meint. So ist z.B. im Lud-
wigsburger Gebiet eine wesentliche Versauerung des Bodens durch „sauren
Regen“ derzeit mit Sicherheit nicht zu erwarten.
Als Vorbemerkung zur Wertung der Ergebnisse sei daran erinnert, daß abso-
lut reines, durch Schadstoffe völlig unbelastetes Regenwasser wegen des darin
gelösten Kohlendioxids einen pH-Wert von etwa 5,6 hat; es ist also von Natur
aus stets sauer. Schadstoffbedingt saurer Regen besitzt einen pH-Wert von
unter 5,6, wobei als für die Lebewesen wirklich kritisch erst ein pH-Wert von
unter 4,0 gilt (Ausnahme: Hochmoore weisen huminsäurebedingt von Natur
aus einen pH-Wert von unter 4,0 auf).
Seit über vier Jahren untersuche ich fast jeden Regen (Schnee) mit der Glas-
elektrode auf seinen Säuregrad (die Prüfung mit Indikatorpapieren führt bei
praktisch ungepufferten Flüssigkeiten aus bekannten Gründen fast immer zu
einem falschen Ergebnis). Die Probeentnahmestelle liegt in Ludwigsburg in
der Nähe des Salonwalds. Der pH-Wert des Regens (Schnees) schwankte in die-
ser Zeit zwischen 3,7 und 7,1 (Abschluß des Manuskripts: 22. 4. 1992). Dabei
lagen 71,6 % der Regenfälle (einschl. Schnee) bei einem pH-Wert von 5,6 und
höher, 15,0 % bei einem pH-Wert von 5,0-5,5, 12,1 % bei einem pH-Wert von
4,0—4,9 und nur 1,3 % bei einem pH-Wert von unter 4,0 (genau: 2 x 3,9 und
1 x 3,7, letzterer Wert gemessen am 23. 6. 1989 nach längerer Trockenheit).
Erstaunlich ist zunächst die Tatsache, daß der weitaus überwiegende Teil der
Niederschläge weniger sauer ist als reines Wasser. Dies ist leicht dadurch zu er-
klären, daß der Boden im Ludwigsburger Gebiet fast überall kalkreich ist (geo-
logischer Untergrund: vor allem Löß und Muschelkalk, wenig Keuper), so daß
Staub den pH-Wert erhöht. „Saurer Regen“ im engeren Sinn ist also im Unter-
suchungsgebiet eine Rarität. Er wird im Boden mit Sicherheit abgepuffert;
Schädigungen können bei Pflanzenorganen nur durch Direkteinwirkung der
„Säurespitzen“ erfolgen (ein Hinweis für Unternehmer und Bürger, durch ihr
Verhalten die auch von den Gestehungskosten her unvorteilhaften Schadstoff-
produktionsspitzen zu vermeiden).
Bei der Messung der pH-Werte fiel mir auf, daß der gefundene Wert mit dem
subjektiven Gefühl einer „guten Luft“ oder „schlechten Luft“ offensichtlich
nichts zu tun hat. Um diesem Phänomen nachzugehen, verglich ich die pH-
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