Die alte Linde (Tilia platyphyllos Scop.) zu Neuenstadt
am Kocher in Württemberg,
Von Robert Caspary.
Als ich im August und September 1867 eine Reise in die
Vogesen und in den Schwarzwald zur Untersuchung der dortigen
Nymphäaceen gemacht hatte, konnte ich mir auf der Rückkehr
das Vergnügen nicht versagen, die berühmteste und vielleicht
auch älteste und dickste Linde der Welt bei Neuenstadt am
Kocher zu besuchen. Morgens um 6 Uhr am 11. September
brach ich von Ottenhöfen im Schwarzwald, von wo aus ich nach
dem Wild- und Mummelsee gegangen war, nach Achern zu Fuss
auf und fuhr von diesem Ort über Karlsruhe und Bruchsal nach
Heilbronn. Hier entdeckte ich eine schon ein Jahr alte neue
Eisenbahn zwischen Heilbronn und Jagstfeld, die in der letzten
Ausgabe des v. Decker’schen Eisenbahn-, Post- und Dampfschiff-
Coursbuchs vom 14. Juni 1867 noch nicht erwähnt war, und fuhr
mit ihr bis Neckarsulm. Abends gegen 6’ Uhr, bei sehr vor-
gerückter Dämmerung kam ich mit dem Eilwagen von Neckar-
Sulm in Neuenstadt, welches so überall in seiner Umgegend und
in der Stadt selbst geschrieben wird, nicht Neustadt, wie man
oft liest, an und eilte sogleich nach der Linde, die etwa 200 Schritt
von ‘dem Gasthof zum Stern, in dem ich einkehrte und dicht.
vor dem östlichen Thore der Stadt, durch das die Strasse nach
Oehringen und Hall führt, nördlich vom. Wege steht. Die un-
geheure Dicke des mehr als 12 Fuss im Durchmesser haltenden
Stammes setzte mich zwar in höchstes Erstaunen, aber ich
Zweifelte auf den ersten Blick, ob ich wirklich einen Baum
und nicht etwa vier, die dicht bei einander aufgeschossen wären,
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1868, 8s Heft. 13