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es zweiäugig ist. Das Sehen mit beiden Augen gestattet uns eine Vor-
stellung von der Tiefe und Entfernung der Gegenstände zu gewinnen,
indem das rechte Auge ein anderes Bild bekommt als das linke. Je
ferner die Gegenstände sind, um so mehr werden sich ihre Bilder in
beiden Augen gleichen, und um so weniger werden sie körperlich er-
scheinen. Man kann aber auch entferntere Gegenstände körperlich
sehen, wenn man die Entfernung unserer Augen, welche die trigono-
metrische Basis unseres körperlichen Sehens bildet, künstlich vergrössert;
das ist im HeLmmoLTz’schen Telestereoskope durch en*sprechende Spie-
gelung bewirkt. In ähnlicher Weise wird nun auch durch das Zzıss’sche
Fernrohr die Entfernung der Augen vergrössert, und man erhält daher
mit diesem Instrumente auch von ferneren Gegenständen ungemein
plastische Bilder (daher „Relieffernrohr“‘).
Als letzter Redner sprach Oberamtsarzt Dr. Camerer (Urach)
über das Längenwachstum und die Gewichtszunahme
beim Menschen. Man kann einen doppelten Weg einschlagen zur
Ermittelung dieser Fragen: entweder kann man durch Untersuchung
vieler gleichaltriger Kinder Durchschnittswerte für die einzelnen Alters-
stufen feststellen, oder aber — und das ist die genauere, aber lang-
wierigere Methode — kann man einzelne Kinder von der Geburt an
bis zum Erwachsensein in stetigen Zwischenräumen untersuchen. Auf
Untersuchungen der letzteren Art gründen sich die folgenden Angaben.
Die gefundenen Werte sind in Form von Kurven zusammengestellt.
Die Wachstumskurve hat für Knaben anfangs die Gestalt einer
Parabel; beim 12. Jahre jedoch zeigt die Kurve eine Knickung, die
eine Verlangsamung des Wachstums bedeutet; sie steigt dann wieder
schneller an bis zum 17. Jahre, um von hier ab horizontal zu ver-
laufen: mit diesem Jahre hört also das Wachstum bei Knaben auf.
Bei Mädchen ist die Kurve ähnlich, doch liegt die erste Knickung im
9. Jahre und das Ansteigen der Kurve dauert bis zu 14!/2 Jahren.
In beiden Fällen ist das Wachstum im ersten Jahre am bedeutendsten.
Solche Untersuchungen haben mit mancherlei Schwierigkeiten zu rechnen:
so unterliegt die Länge täglichen Schwankungen von 2—3 cm; sie ist
des Morgens nach dem Aufstehen am bedeutendsten und nimmt im
Laufe des Tages stetig ab, je nach der Beschäftigung mehr oder weniger.
Die Gewichtszunahme ist ebenfalls in den ersten Jahren am stärk-
sten, ist bei Knaben im 5.—7. Jahre für einige Zeit eine geringere
und steigt dann wieder an; für die Mädchen ergeben sich ähnliche
Verhältnisse. Auch das Gewicht zeigt täglich Schwankungen: nach dem
Nachtessen ist es um 1 kg höher als am Morgen; das sind jedoch nicht
die einzigen Veränderungen, vielmehr wechselt das Gewicht auch mit
den Jahreszeiten, und zwar ist es im Herbst am grössten, im Früh-
jahr am geringsten. Auffällig ist der Unterschied, der im ersten Lebens-
jahre zwischen Muttermilchkindern und künstlich ernährten Kindern
sich zeigt: jene übertreffen diese an Gewicht, und werden von ihnen
erst in der 40, Woche erreicht.