Sitzungsberichte.
Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart.
Sitzung vom 21. Mai 1896.
Als erster Redner wies Dr. Weinberg auf den 100jährigen
Erinnerungstag der 1. Impfung durch Jenxer (14. Mai 1796) hin.
Er hob hervor, dass JENNER erst nach 20jährigem Studium der Impf-
frage seine ersten Impfversuche an Menschen gemacht habe, und dass
am Anfang dieses Jahrhunderts zahlreiche, in Preussen allein bis Ende 1803
17 000 direkte Experimente gemacht worden, die den Nutzen der Impfung
in unzweideutiger Weise bestätigten. Die Statistik der Todesursachen
habe nicht mehr die Aufgabe, den Wert der Impfung erst zu beweisen,
sondern nur die auf dem Weg des Experiments gewonnenen Thatsachen
zu kontrollieren. Der Vergleich der Pockensterblichkeit vor und nach
der Einführung der Impfung, ebenso wie gut und schlecht impfende
Länder falle zwar zu Gunsten der Impfung aus, habe aber keine direkte
Beweiskraft, wichtiger sei die Verschiebung der Sterblichkeit der ein-
zelnen Altersklassen. Mit der Verbesserung der Statistik sei es auch
möglich geworden, auf eine streng wissenschaftliche Fragestellung die
Antwort zu gewinnen, und es sei nunmehr unzweifelhaft nachgewiesen,
dass die Nichtgeimpften auch bei Berücksichtigung des verschiedenen
Lebensalters eine weit grössere Erkrankungs- und Sterbeziffer an Pocken
aufweisen als die Geimpften, dass dieser Unterschied mit der Entfernung
vom Zeitpunkt der Impfung abnehme und dass dieser Unterschied weit
grösser sei als der Unterschied in der Sterblichkeit der Geimpften und
Ungeimpiten an anderen Krankheiten. Damit sei die Beweiskette für
den Nutzen der Impfung geschlossen und zu verwundern, dass es immer
noch Menschen gebe, die ihren Wert selbst diesem Material gegenüber
bestreiten. Unter Hinweis auf eine Karte, die zeigt, dass die Pocken
in Europa noch keineswegs erloschen seien, ersuchte der Vortragende
die Anwesenden, dahin zu wirken, dass die Wohlthat, die JENNER durch
seine von echt naturwissenschaftlichem Geist getragene Entdeckung der
Menschheit erwiesen habe, verteidigt und ihr erhalten werde, bis etwas
noch Besseres an ihre Stelle treten könne.
Sodann zeigte Prof. Dr. Klunzinger einige von Dr. DIEUDONNE
erhaltene, mit Röntgenstrahlen aufgenommene Photographien vor.