Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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eine längere Erörterung an. Gegen 6 Uhr fanden die Verhandlungen 
ihren Schluss; die auswärtigen Mitglieder kehrten mit den Abendzügen 
nach Hause zurück. 
Schwarzwälder Zweigverein. 
Sitzung in Tübingen am 21. Dezember 18096. 
In Vertretung des abwesenden Vorstandes eröffnete Dr. Camerer 
von Urach die Sitzung. Den ersten Vortrag hielt Dr. Fickert von 
Tübingen über künstliche Kälteabarten von Schmetterlingen. 
Die ersten Versuche, durch Einwirkung von Kälte auf Schmetterlings- 
puppen Färbung und Form der ausschlüpfenden Schmetterlinge zu be- 
einflussen, knüpften an die Thatsache an, dass manche Schmetterlinge 
in den verschiedenen Generationen, in denen sie alljährlich auftreten, 
verschiedene Kleider tragen, je nachdem ihre Puppen überwintert haben 
oder nicht. Es gelang dabei, durch Aufbewahrung von Sommerpuppen 
in einem Eiskeller oder Eisschrank eine Form zu erzielen, die derjenigen 
gleich oder doch ähnlich war, wie sie gewöhnlich aus den überwinterten 
Puppen auszuschlüpfen pflegt. Man wählte später zu diesen Versuchen 
auch Schmetterlinge, die keine nach den Jahreszeiten verschiedene Ab- 
arten zeigen, so unser gewöhnliches Pfauenauge, und bekam auch hier 
Abweichungen in der Färbung, insbesondere Verdüsterungen und Rück- 
bildung der Augenflecke. Wenn schon die Anwendung der KEisschrank- 
temperatur von 1—83° über 0 schöne Erfolge gab, so erwies es sich 
noch vorteilhafter, die Puppen wirklichen Kältegraden (bis zu 20° 
unter 0) auszusetzen: man erhielt dadurch in einzelnen Fällen bei dem 
kleinen Fuchs, dem grossen Fuchs, dem Pfauenauge und dem Trauer- 
mantel Abarten, die in der freien Natur zu den grössten Seltenheiten 
gehören; bei allen zeigt sich eine Neigung der schwarzen Flecken am 
Vorderrand der Vorderflügel, sich zu verprössern und zu verschmelzen: 
Noch weitergehende Abänderungen erzielte der Vortragende durch An- 
wendung starker Kälte auf die Puppen; er setzte dabei möglichst frische, 
1—92 Tage alte Puppen in einem kleinen Zinkkasten einer Kältemischung 
von Eis und Salz aus und erneuerte diese eine Woche lang alle 
24 Stunden. So bekam er vom kleinen Fuchs neben einer Anzahl 
normaler Tiere verschiedene Abarten, darunter vier Stücke einer neuen 
(Vanessa urticae, aberr. nigrita), bei der die Hinterflügel bis auf geringe 
Spuren gelblicher Randflecke ganz braunschwarz gefärbt sind. Vom 
braunen Bär gelang es, auf diese Weise eine neue prachtvolle Abart 
zu erzielen mit fast ganz einfarbigen chokoladebraunen Vorderflügeln 
und schwarzen, nur am inneren Viertel mennigrot behaarten Hinter- 
flügeln; auch der Hinterleib ist, bis auf die ersten zwei Hinterleibs- 
ringe, oben braunschwarz gefärbt (Arctia caja, aberr. Futura). — Diese 
Kälteabarten können keinen Rückschlag auf frühere Formen vorstellen; 
denn die Beobachtung der Farbenentwickelung in den Puppen und die 
Untersuchung der Stammesentwickelung durch Vergleichung fertiger
	        

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