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Formen zeigt, dass das Zusammenfliessen von Flecken und das Ein-
farbigwerden, wie die Kälteformen es zeigen, stets einen Fortschritt
bedeutet. Besonders interessante Ergebnisse versprechen diese Versuche,
wenn es gelingt, Kälteabarten zur Paarung zu bringen und die aus den
abgelegten Eiern ausschlüpfenden Raupen zu fertigen Schmetterlingen
aufzuziehen. Es ist zu erwarten, dass dies beim braunen Bären
glücken wird *.
Danach sprach Dr. Hesse von Tübingen über die Licht-
empfindung bei einigen niederen Tieren. Man hat vielfach
für das einfachste Sehorgan einen Pigmentfleck erklärt, an dem einige
Nerven frei endigen. Das Pigment, so meinte man, absorbiert das
Licht und dient zugleich als „Sehsubstanz‘, die eine teilweise Zer-
setzung erleidet; dabei werden durch die auslösende Wirkung des
schwingenden Äthers chemische Spannkräfte frei, die auf die Nerven
einwirken und so einen Reiz erzeugen, der als Licht empfunden wird. —
Doch zeigt kein Auge, soweit genaue Untersuchungen reichen, einen
Bau, wie er hier gefordert wird. Vielmehr findet man in allen Augen
Sinneszellen als die Elemente der Lichtwahrnehmung, die sich auf der
einen Seite in eine zum Gehirn verlaufende Nervenfaser fortsetzen, auf
der anderen Seite häufig cuticularisierte Bildungen tragen, wie es z. B.
die Stäbchen unserer Retinazellen sind. Vor allem widerspricht aber
jener Auffassung von der Rolle des Pigments bei der Lichtempfindung
die Thatsache, dass es Tiere giebt, die Lichtwahrnehmung zeigen, ohne
dass sich scharf umschriebene Pigmentflecke oder überhaupt Pigment
bei ihnen findet. Es sind das unter anderen die Regenwürmer und
viele Muscheln. Bei den Regenwürmern hat zuerst der Italiener RUsconı
(1819) die Lichtempfindlichkeit experimentell festgestellt; spätere
Forscher, darunter DArwın, kamen durch ihre Beobachtungen zu der
Ansicht, dass das Vorderende der Sitz der Lichtempfindlichkeit sei.
GRABER aber nahm an, dass die Lichtwahrnehmung über den ganzen
Körper verteilt sei; er kam zu diesem Ergebnis durch folgenden Ver-
such: in einem Kasten, der zur Hälfte beleuchtet, zur anderen Hälfte
verdunkelt war, verteilte er gleichmässig eine Anzahl Regenwürmer,
denen er das vorderste und hinterste Körperende abgeschnitten hatte,
und fand, dass sie sich nach einiger Zeit zum grössten Teil in die
dunkle Hälfte des Kastens zurückgezogen hatten; die Körperenden
konnten also nicht der ausschliessliche Sitz der Lichtempfindlichkeit
sein. Der Vortragende konnte nun zeigen, dass ein Regenwurm, wenn
man einen Lichtstrahl auf sein Vorderende fallen lässt, heftig zurück-
zuckt, ebenso bei Beleuchtung seines Hinterendes, dass er jedoch keine
Empfindlichkeit äussert, wenn man einige seiner mittleren Körperringe
beleuchtet. Wenn nun schon diesen letzteren nach GrRABER’s Versuchen
eine gewisse Lichtempfindlichkeit zukommen muss, so ist sie doch am
Hinter- und ganz besonders am Vorderende ausserdentlich gesteigert. —
Wie kommt nun die Lichtwahrnehmung zu stande? DARWIN glaubte,
1 Die genaue Beschreibung der neuen Abarten findet sich in einem dem-
nächst erscheinenden Buche Prof. Eimer’s über „Orthogenesis“.