Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

— LXIX - 
Formen zeigt, dass das Zusammenfliessen von Flecken und das Ein- 
farbigwerden, wie die Kälteformen es zeigen, stets einen Fortschritt 
bedeutet. Besonders interessante Ergebnisse versprechen diese Versuche, 
wenn es gelingt, Kälteabarten zur Paarung zu bringen und die aus den 
abgelegten Eiern ausschlüpfenden Raupen zu fertigen Schmetterlingen 
aufzuziehen. Es ist zu erwarten, dass dies beim braunen Bären 
glücken wird *. 
Danach sprach Dr. Hesse von Tübingen über die Licht- 
empfindung bei einigen niederen Tieren. Man hat vielfach 
für das einfachste Sehorgan einen Pigmentfleck erklärt, an dem einige 
Nerven frei endigen. Das Pigment, so meinte man, absorbiert das 
Licht und dient zugleich als „Sehsubstanz‘, die eine teilweise Zer- 
setzung erleidet; dabei werden durch die auslösende Wirkung des 
schwingenden Äthers chemische Spannkräfte frei, die auf die Nerven 
einwirken und so einen Reiz erzeugen, der als Licht empfunden wird. — 
Doch zeigt kein Auge, soweit genaue Untersuchungen reichen, einen 
Bau, wie er hier gefordert wird. Vielmehr findet man in allen Augen 
Sinneszellen als die Elemente der Lichtwahrnehmung, die sich auf der 
einen Seite in eine zum Gehirn verlaufende Nervenfaser fortsetzen, auf 
der anderen Seite häufig cuticularisierte Bildungen tragen, wie es z. B. 
die Stäbchen unserer Retinazellen sind. Vor allem widerspricht aber 
jener Auffassung von der Rolle des Pigments bei der Lichtempfindung 
die Thatsache, dass es Tiere giebt, die Lichtwahrnehmung zeigen, ohne 
dass sich scharf umschriebene Pigmentflecke oder überhaupt Pigment 
bei ihnen findet. Es sind das unter anderen die Regenwürmer und 
viele Muscheln. Bei den Regenwürmern hat zuerst der Italiener RUsconı 
(1819) die Lichtempfindlichkeit experimentell festgestellt; spätere 
Forscher, darunter DArwın, kamen durch ihre Beobachtungen zu der 
Ansicht, dass das Vorderende der Sitz der Lichtempfindlichkeit sei. 
GRABER aber nahm an, dass die Lichtwahrnehmung über den ganzen 
Körper verteilt sei; er kam zu diesem Ergebnis durch folgenden Ver- 
such: in einem Kasten, der zur Hälfte beleuchtet, zur anderen Hälfte 
verdunkelt war, verteilte er gleichmässig eine Anzahl Regenwürmer, 
denen er das vorderste und hinterste Körperende abgeschnitten hatte, 
und fand, dass sie sich nach einiger Zeit zum grössten Teil in die 
dunkle Hälfte des Kastens zurückgezogen hatten; die Körperenden 
konnten also nicht der ausschliessliche Sitz der Lichtempfindlichkeit 
sein. Der Vortragende konnte nun zeigen, dass ein Regenwurm, wenn 
man einen Lichtstrahl auf sein Vorderende fallen lässt, heftig zurück- 
zuckt, ebenso bei Beleuchtung seines Hinterendes, dass er jedoch keine 
Empfindlichkeit äussert, wenn man einige seiner mittleren Körperringe 
beleuchtet. Wenn nun schon diesen letzteren nach GrRABER’s Versuchen 
eine gewisse Lichtempfindlichkeit zukommen muss, so ist sie doch am 
Hinter- und ganz besonders am Vorderende ausserdentlich gesteigert. — 
Wie kommt nun die Lichtwahrnehmung zu stande? DARWIN glaubte, 
1 Die genaue Beschreibung der neuen Abarten findet sich in einem dem- 
nächst erscheinenden Buche Prof. Eimer’s über „Orthogenesis“.
	        
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