Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 66, 1910)

Badekur eine gewisse Rolle. Aus dem neben der Karlsquelle befind- 
lichen Sammelreservoir wird das Mineralwasser in das Badehaus hinüber- 
gepumpt und in kaltem Zustand in die Wanne geleitet. Es wird dann 
erst in den Wannen selbst durch Zuleitung von heißem Dampf auf die 
gewünschte Temperatur gebracht. Es geht auf diese Weise verhältnis- 
mäßig wenig Kohlensäure verloren. Die Wirkungsweise der hiesigen 
Mineralbäder ist schwachen Solbädern vergleichbar entsprechend dem 
etwa 2° igen Salzgehalt des Mineralwassers. Sowohl die Kohlensäure 
als die Mineralsalze üben im Bade einen kräftigen Hautreiz aus und 
es wird die Blutzirkulation in der Körperperipherie wesentlich ge- 
steigert. Auch kann man charakteristische Einwirkungen auf die Herz- 
tätigkeit konstatieren. Die Arbeitsgröße des einzelnen Herzschlags 
wird gesteigert und die Pulsfrequenz ist nach einem Mineralbad lang- 
samer, als nach einem gleichtemperierten Süßwasserbade. Im übrigen 
stimmen jedoch die Forschungsresultate über die physiologische Wirkung 
der verschiedenen Mineralbäder noch nicht so vollständig überein, daß 
man hieraus endgültige Schlußfolgerungen ziehen könnte. Die Zahl, 
die Dauer, die Temperatur der Bäder etc. darf sich nicht nach einem 
Schema richten, sondern es muß bei allen hydrotherapeutischen Pro- 
zeduren stets individualisiert werden, Leider wird von dem kur- 
gebrauchenden Publikum in diesen und andern Dingen oft viel gesündigt 
und mancher, der die Kur nach: seinem eigenen Gutdünken gebraucht, 
klagt nachträglich über einen ungenügenden Erfolg, 
Mit wenigen Worten möchte ich zum Schluß auch noch die Diät- 
frage berühren. Man war früher der Meinung, daß bei Gebrauch einer 
bestimmten Trinkquelle auch eine ganz bestimmte Diät eingehalten 
werden müßte. Besonders in Karlsbad und in Kissingen herrschte in 
dieser Beziehung ein oft ganz gedankenloser Schematismus. Der jetzt 
in Wien tätige Professor von NoorDEN ist seit vielen Jahren in Wort 
und Schrift gegen diesen Diätschematismus aufgetreten und hat die 
Forderung aufgestellt, daß nicht mehr die Trinkquelle, sondern die zu 
behandelnde Krankheit das leitende Motiv für die Gestaltung der Diät 
sein müsse. Kine spezielle balneologische Diätetik gibt es bei wissen- 
schaftlich denkenden Badeärzten nicht mehr. Auch in Mergentheim 
wird mit ganz besonderer Berücksichtigung des Krankheitszustandes 
eine individuelle Ernährung verordnet. Es wird in einem Fall viel, im 
andern wenig Fleisch, es wird fettreiche oder fettarme Kost empfohlen. 
Ebenso verhält es sich mit den Mehlspeisen, mit den Gemüsen, mit dem 
Obst und mit allen andern Nahrungs- und Genußmitteln. Ausschließlich 
die Krankheit und der Gesamtzustand des Patienten und nicht etwa die 
Mineralquelle darf eine maßgebende Rolle dabei spielen, wenn wir einem 
Kurgebrauchenden dieses erlauben und jenes verbieten. Ich wollte es 
nicht versäumen, in diesem Kreise wenigstens unsere‘ grundlegenden An- 
schauungen über diese Fragen festzulegen. 
Ich bin nun am Ende meiner Ausführungen angelangt und be- 
daure lebhaft, daß ich viele wichtige und interessante Fragen nur so 
kursorisch behandeln konnte. Ich würde mich freuen, wenn es mir 
trotzdem gelungen wäre, Ihnen ein ungefähres Bild von den Eigen-
	        
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