Die Chromosomen als Vererbungsträger.
Von Prof, Dr. Heinrich Ernst Ziegler in Stuttgart,
(Vortrag, gehalten bei der Versammlung des Schwarzwälder Zweigvereins für
vaterländ. Naturkunde in Tübingen am 21, Dezember 1910.)
Mit 4 Textfiguren.
Für die Tatsache, daß die Kinder eines Ehepaares unter sich
verschieden sind, gab es bis in die neueste Zeit keine befriedigende
Erklärung. Die Verschiedenheit der Kinder zeigt sich nicht nur in
der Erfahrung des täglichen Lebens, sondern auch bei dem wissen-
schaftlichen Studium der Vererbung von Mißbildungen und Krank-
heitsdispositionen. Die erbliche Belastung tritt meistens nicht bei
allen Kindern einer Familie zutage, sondern nur bei einzelnen.
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Fig. 1. Vererbung der Kurzfingerigkeit in einer von Farabee in Pennsylvanien
beobachteten Familie. Nach Bateson.
Diejenigen Individuen, welche die Mißbildung zeigen, sind durch schwarze Kreise bezeichnet,
Z. B. zeigt Fig. 1 die Vererbung einer eigenartigen Mißbildung,
nämlich der Kurzfingerigkeit, bei welcher an den Fingern und Zehen
nur zwei statt drei Phalangen vorhanden sind', Man sieht, daß
in jeder Familie neben den mißbildeten auch normale Mitglieder
vorkommen. Aus der medizinischen Literatur ließen sich unzählige
Beispiele ähnlicher Art zusammenstellen, aber ich will nur noch ein
4 Ich entnehme dieses Beispiel aus dem Buche von W, Bateson, Mendels
Principles of heredity. Cambridge 1909,