Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 67, 1911)

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Rücksicht auf größere Klimaunterschiede zu sagen pflegen. Etwa, wenn 
es sich um Einbürgerung eines australischen Tieres bei uns handelt. 
Unsere modernen Haustierrassen haben aber zum größten Teil noch 
keine Zeit gehabt, sich zu akklimatisieren, weil sie viel zu jung im 
Lande sind. Es ist eine bedauerliche Tatsache, daß aus einem großen 
Teile Deutschlands, zu dem auch Württemberg gehört, die uralten ein- 
heimischen Haustierrassen verschwunden sind. Auf die Gründe kann 
ich hier nicht eingehen, aber die Tatsache wird niemand wegleugnen 
können. Dafür ist seit etwa 150 Jahren fremdes Vieh aus den ver- 
schiedensten Gegenden importiert. Diesen Tieren ist aber noch nicht 
Zeit gelassen worden, sich zu akklimatisieren. Wir züchten jetzt seit 
einer Reihe von Jahren mit Vorliebe Simmentaler Vieh. Aber offenbar 
ist es hier nicht möglich, den in der Schweiz gezüchteten Typus zu 
halten. Der beste Beweis dafür scheint mir in der Tatsache zu liegen, 
daß wir immer wieder aus der Schweiz importieren, was im anderen 
Falle nicht nötig wäre. Nun zeigt aber die tiergeographische Klein- 
forschung deutlich, daß zwischen den Teilen der Schweiz, die Simmen- 
taler züchten, und unserem Lande Unterschiede bestehen, da gerade 
die demselben Formenkreis angehörenden wilden Tiere hier etwas anders 
aussehen wie dort. Natürlicherweise nehmen auch die Haustiere, die 
doch wohl denselben Gesetzen folgen als die wilden, hier auch andere 
Formen an. Warum läßt man ihnen da nicht Zeit, sich hier zu ak- 
klimatisieren, sondern zwingt sie immer von neuem, sich anzupassen 
durch neue Importationen, Es fließt dadurch nicht nur augenblicklich 
eine Menge Geld in das Ausland, das unseren Züchtern zugute kommen 
könnte, sondern es ist gar kein Ende dieser Ausgabe abzusehen. Und 
ich meine, dem wäre abzuhelfen. Man müßte eben die kleinsten tier- 
geographischen Gebiete erforschen, dann nur mit Haustieren unter- 
einander züchten, die eben je aus einem solchen Gebiet stammen. So 
würde man wieder bodenständige Schläge erhalten, wobei natürlich 
durch geeignete Auswahl für Hochzucht zu sorgen ist. Ich gebe zu, 
die Importation schafft schnellere, in die Augen springendere Vorteile, 
aber sie bringt keine dauernde Verbesserung, während meine Methode 
langsamer ist, aber den Vorzug der Dauerhaftigkeit hat und den, daß 
sie das Geld im Lande und den Züchtern erhält. Es könnte mir viel- 
leicht noch entgegnet werden, daß hierbei die schädlichen Folgen der 
Inzucht zu fürchten seien. Aber die neuesten Forschungen über die 
Geschichte der englischen Tierrassen‘ zeigen doch, daß diese alle ohne 
Importe von außen in Inzucht, teilweise sogar strengsier Inzestzucht, ent- 
standen sind. Auf jeden Fall ist man in England, allerdings unbewußt, 
streng nach dem Prinzip verfahren, das ich hier empfehle, nur Tiere 
aus einem engbegrenzten, einheitlichen Bezirk zur Zucht zu nehmen. 
Dasselbe, was ich eben für die Rinder ausführte, läßt sich auch 
“ür die Pferde nachweisen, Oder soll ich hier an die Begeisterung 
erinnern, mit der man seinerzeit bei uns die Clydesdales aufnahm? 
Hoffmann, Ludwig, Welche Züchtungsgrundsätze lassen sich aus 
den Einrichtungen zur Förderung der Tierzüchtung in England feststellen? Heft 4 
der Arbeiten der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde. Hannover 1909. 
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