Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 67, 1911)

XCVII 
Linien, soweit dieselben im Deckgebirge Württembergs in Erscheinung 
treten, tertiärer Entstehung sein dürften. Redner ‚besprach eingehend 
die Bildung der varistischen Linien. Er zeigte, daß, wenn man von 
Norden nach Süden wandert, dieses Streichen erstmals in einer breiten 
„Bruchzone“, die sich zwischen Kaiserstuhl und Ries ausdehnt, deutlich 
vor Augen tritt. In dieser Bruchzone finden wir einerseits zahlreiche 
Verwerfungsspalten, welche z. T. auch als Gräben ausgebildet sind (so 
der bisher unbekannte Binsdeorf—-Bickelsberger Graben), dann eine 
Menge Wasserläufe (besonders Oberlauf von Neckar und Fils) und Ge- 
birgszüge (Nordrand der Alb!), die scharf in NO-Richtung verlaufen. 
Andererseits läßt sich in einer fast geraden Linie das Auftreten von 
tertiären Vulkanen verfolgen und von Kohlensäure- und Mineralwasser- 
ausströmungen, die mit den vulkanischen Erscheinungen in Zusammen- 
hang zu bringen sind. Es sei hier angeführt der vulkanische Kaiser- 
stuhl, der Basaltschlot des Oberhauensteins bei Hornberg, die Kohlen- 
säurevorkommen im Neckar- und Eyachgebiet, die Vulkanembryonen 
der Uracher Alb, die Mineralquellen von Ditzenbach und Überkingen, 
die Vulkangebiete des Steinheimer Beckens und des Rieses. Diese 
Bruchzone findet dadurch ihre Erklärung, daß entlang derselben eine 
Abbiegung bezw. ein Abbruch der südlichen (Alb-) Scholle erfolgt ist. 
Dies läßt sich daran erkennen, daß der durchschnittliche Einfall der 
Schichten im mittleren Württemberg gegen SO. auf weite Erstreckung 
nur bis höchstens ‘/2 °/o beträgt, während er südlich der Bruchzone 
durchschnittlich ca. 2° erreicht. Auch die im Verlauf der Bruchzone 
gern auftretenden seismischen Bewegungen und das in dieser Richtung 
nachgewiesene Maximum der Ablenkung der Magnetnadel bei erd- 
magnetischen Messungen spricht für in der Tiefe in dieser Richtung 
vor sich gegangene Störungen. Diese Vorgänge im Grundgebirge haben 
die Lagerung der darüber ausgebreiteten Sedimente recht verschieden 
beeinflußt, zumal in ihnen weiche, mehr oder weniger plastische Ge- 
steine, welche tektonische Verschiebungen des Untergrundes auszu- 
gleichen vermögen, mit härteren wechseln. Deshalb bilden die Gräben, 
Verwerfungen und Verbiegungen der oberflächlichen Schichten nur einen 
matten Abglanz der tektonischen Vorgänge, die einst in der Tiefe sich 
abspielten. Über den vielfach weichen Schichten des Schwarzen und 
Braunen Juras erscheinen so fast alle Verwerfungen nach oben aus- 
gekeilt, Nicht nur auf Württemberg ist die eben besprochene varistische 
Linie beschränkt. Im Kaiserstuhl haben STEINMANN und GRABFF zwei 
Eruptionszüge nachgewiesen, die südlich und nördlich einer eingeklemmten 
Sedimentscholle sich hinziehen; die Sedimentscholle und die Eruptions- 
züge verlaufen streng in der varistischen Streichrichtung. Die Ver- 
längerung dieser Richtung nach Westen durch französisches Gebiet ist 
schon seit langer Zeit von französischen Geologen nachgewiesen. Sie 
reicht über die Burgundische Pforte an der Südspitze der Vogesen und 
der Serre bei Döle vorbei bis zum französischen Zentralplateau, wo 
sie letztmals bei Bert westlich der Loire zu verfolgen ist. Parallel 
verlaufen Saöne und Doubs, ein Teil des Schweizer Juras und der Alpen 
selbst, das obere Rhein- und Rhönetal. So dokumentiert sich die in 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1911.
	        

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