Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 74, 1918)

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Es darf auch noch erwähnt werden, daß sich. die Begriffe 
„Brutvögel“ und „Zugvögel“ einerseits, sowie Brutvögel und 
„Standvögel“ anderseits in bestimmter Hinsicht decken. 
Des weiteren braucht nicht besonders betont zu werden; daß 
unsere Standvögel, die also jahraus jahrein bei uns leben, eben- 
falls — den Kreuzschnabel ausgenommen, der im Winter brütet — 
zu Frühlingsanfang mit dem Brutgeschäft beginnen, demnach auch 
zugleich „Brutvögel“ sind. 
Die von den verschiedenen Forschern, so neuerdings auch 
von W. Fischer! eingehend besprochenen Ursachen dieser vorhin 
genannten Veränderungen in den Beziehungen einzelner Vogelarten 
zu unserer Fauna sind sehr mannigfache. Im besonderen dürften 
neben der allgemeinen Kulturentwicklung, neben klimatischen und 
vielleicht auch nur vorübergehenden meteorologischen Verhältnissen 
zunächst die den Nahrungserwerb und die Brutpflege ungünstig 
beeinflussenden Faktoren, vor allen Dingen die Jagd und Ver- 
folgung durch den Menschen und unsere Verkehrsentwicklung einen 
Hauptgrund bilden. 
Es ist bekannt, daß z. B. die Schwalben — ich meine die 
eigentlichen. Schwalben, die Rauch- und Mehlschwalbe (Hirundo 
rustica I. und Chelidonaria urbica L.), nicht die einer ganz anderen 
Vogelfamilie angehörigen, meist hochfliegenden Mauersegler (Cypselus 
apus L.) — in den größeren und. namentlich ganz großen Städten 
Mitteleuropas fast vollkommen zurückgegangen sind, während sie 
früher, besonders die zweitgenannte Art, auch an diesen Orten 
häufig waren. Unsere Schwalben fliegen bekanntlich selten in 
größerer Höhe, dagegen meist nahe über die Häuser hinweg und 
um diese herum, vielfach auch ganz niedrig unmittelbar über die 
Straßen hin. Da haben die immer zahlreicheren Telephonleitungen 
und der stets wachsende Straßenverkehr ihnen das Dasein vergällt 
und sie fast ausschließlich in die kleinen Landstädte und Dörfer 
getrieben. Weiterhin benötigen die Schwalben für ihren Nestbau 
bekanntlich den regenfeuchten Detritus der Landstraßen. Früher 
durchzogen solcherart einfache Schotterstraßen auch unsere Städte: 
schon seit längerer Zeit aber sind die Stadtstraßen meistens ge- 
pflastert oder asphaltiert und bieten den munteren Tierchen kein 
Material mehr für ihren Nestbau. 
‘ Wilhelm Johannes Fischer: Über die Vogelfauna Württembergs. ‘ Ver- 
lag des Bundes für Vogelschutz. 1914. Inauguraldissertation zur Erlangung der 
Doktorwürde an der Universität Tübingen.
	        
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