Über Albinismus in der Tierwelt Württembergs.
Von Prof. Dr. Otto Buchner, .
Kustos an der Naturaliensammlung in Stuttgart.
Albinos nennt man bekanntlich in der gesamten Tierwelt
jene Individuen, bei welchen das Pigment, der Farbstoff, nicht
oder mangelhaft vorhanden oder nicht in seine normale Wirkung
getreten ist, wodurch besonders die integumentalen Gewebe und
epidermoidalen Gebilde, bei den höheren Tieren also nicht nur die
Haut, sondern namentlich die Haare, Federn oder Schuppen, aber
auch — und das ist für die Beurteilung eines Vollalbinos eigentlich
arst das entscheidende Moment — ‘die Iris und Choroidea der
Augen ihre übliche Färbung vermissen lassen und infolge der
hervorschimmernden Blutgefäße rötlich erscheinen. I
Vielfach, ja fast noch immer, spricht man hinsichtlich dieser
Vorkommnisse von weißen, weißlichen, gelblichen oder scheckigen
a5W. „Varietäten“, allein diese Bezeichnung ist nicht richtig, streng
wissenschaftlich genommen wenigstens nicht begriffsentsprechend.
Der Albinismus ist im Gegensatz zum Melanismus, welch
letztere Erscheinung einen mehr oder. minder starken Überschuß
an dunklem oder schwarzem Farbstoff in den Zellen repräsentiert,
der Ausdruck einer Degeneration oder Hemmungsbildung
und darf deshalb keineswegs unter den Begriff der Varietät oder
Spielart einbezogen, aber auch nicht „Aberration“ genannt werden.
Ich hatte mich bezüglich dieses Punktes und über die auch
für andere Abweichungen von’ der Norm irrtümliche Anwendung
der Bezeichnung „varietas“ schon früher einmal ausgesprochen und
für die vorliegende Erscheinung anstatt der noch immer so weit
verbreiteten und. fälschlich üblichen wissenschaftlichen Bezeichnung
„varietas“ alba, albescens, flavescens etc. den sinngemäßeren Aus-
druck „degeneratio“ vorgeschlagen ‘!, und zwar einheitsgemäß für
‘ Buchner, Otto: Helig pomatia L., Revision ihrer Spielarten und
Abnormitäten mit Hervorhebung württembergischer Vorkommnisse nebst Be-
merkungen über falsche Anwendung des Begriffes „Varietät“. Diese Jahresh.
35. Jahrg. 1899; p. 232 ff,