Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 76, 1920)

XVII 
Sitzung am 8. Dezember 1919. 
Prof. Dr. Max Rauther sprach über Anpassung der Atmungs- 
organe. bei Landwirbeltieren und Fischen. 
Betrachtet man die größern Formenkreise der Wirbeltiere mit 
Rücksicht auf ihre Wohnorte, so erscheinen die Amnioten — Säuger, 
Vögel und Reptilien — durchaus für das Land, die Fische für das 
Wasser gemacht. In allen wichtigen Zügen spricht sich das aus: in 
der Körpergliederung und -bedeckung, in den, Bewegungs-, Atmungs-, 
Sinnesorganen usw. Umsomehr muß es wundernehmen, daß bei jenen 
wie bei diesen nicht wenige größere oder kleinere Untergruppen ihrer 
ursprünglichen Bestimmung untreu geworden sind, d. h. ein Element auf- 
gesucht haben, dessen Anforderungen ihre eigenste Natur gar nicht ent- 
gegenkommt. Zahlreich und allbekannt sind die typisch vierfüßigen und 
lungenatmenden Landwirbeltiere, die im Wasser heimisch geworden sind 
und mehr oder minder Fischgestalt und. -gewohnheiten angenommen haben: 
die ausgestorbenen Ichthyosaurier, Plesiosaurier u. a. m., die rezenten 
Krokodile, Schildkröten und Seeschlangen unter den Reptilien; Hesperornis 
und die Pinguine unter den Vögeln; Wale, Seekühe und Flossenfüßer 
unter den Säugern. Zu ihnen kommen noch eine Fülle amphibischer 
und wasserfreundlicher Formen. Weniger bekannt ist, daß es unter den 
Fischen eine Menge von entgegengesetzt Entarteten gibt: Fische, die 
einen beträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Trockenen zubringen, 
die über Land wandern oder die wenigstens auf Luftatmung so sehr 
angewiesen sind, daß sie bei Verhinderung dieser auch im besten Wasser 
regelrecht ertrinken. 
Über die Gründe dieser Erscheinung ist wenig Sicheres zu sagen. 
Die erwähnten Fische gehören meist den Tropen an und bewohnen kleine, 
oft fauliges (sauerstoffarmes) Wasser enthaltende oder leicht austrocknende 
Wasserbecken, Ohne besondere Vorrichtungen für Luftatmung oder 
Trockenaufenthalt vermöchten sie in solchen nicht zu existieren. Mit 
Rücksicht auf die Wale insbesondere läßt sich geltend machen, daß 
Tiere von sehr bedeutender Körpermasse in höheren Breiten auf dem 
Lande nicht beständig die großen Nahrungsmengen finden würden, deren 
sie bedürfen; diese kann nur das von den Jahreszeiten unabhängigere 
Meer ihnen bieten. Für die circumtropischen pflanzenfressenden Sirenen 
und die Meerreptilien lassen sich auch solche Notwendigkeiten schwer 
aufzeigen. 
Obwohl die Wale vollkommene Hochseetiere sind, hat doch die 
Anpassung bei ihnen keine eigentlichen Wasseratmungsorgane geschaffen, 
den Kiemen der Fische vergleichbar, so zweckmäßig das auch sein möchte. 
Um ihnen aber ein langes Tauchen zu ermöglichen, haben sie Lungen 
von großem Fassungsvermögen mit außerordentlich derben und sehr 
elastischen Wandungen. Der Wechsel ihrer Lungenluft erfolgt in beträcht- 
lichen Zwischenräumen — der Pottwal vermag über eine Stunde ‚zu 
tauchen —, dann aber rasch und vollständig. Die langgestreckte Form 
der dicht unter der Wirbelsäule befindlichen Lungen gibt dem Tier eine 
stabile horizontale Lage. Die äußeren Nasenlöcher, weit auf die Stirn- 
Jahreshefte d. Vereins f, vaterl. Naturkunde in Württ, 1920. %
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.