Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 76, 1920)

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Föhrenrieds, Die beiden Jetzteren haben ihre nächsten Standorte auf 
den umliegenden Höhen, der erstere findet sich aber erst wieder im 
Kies des Bodenseestrandes. 
Der kleine Rohrkolben dagegen war bis jetzt aus Württemberg 
noch nicht bekannt. Seine nächsten Standorte liegen im Osten‘ am 
Lech? und im Westen am Rhein* Im Süden aber wächst er auf den 
Bodenseemooren bei Höchst*® und Rheineck. Dem Kanton Schaff- 
hausen fehlt er, ist etwas zweifelhaft und der Bestätigung bedürftig für 
Thurgau (Hüttwilersee). Er findet sich in Zürich bei Dietikon, dann 
(meist vorübergehend) im Glatt-Tal bei Wallisellen, reichlich im Aar- 
gau an der Aare. 
Der nächste Standort ist also das vorarlbergische und sankt- 
gallische Rheintal. Dort finden sich auch alle seine Begleiter: der 
bunte Schachtelhalm, das Alpenhaargras,. die (ypergrassegge und das 
Schilfrohr, Ein Föhnsturm hat sie dort erfaßt und zusammen am Ziel 
abgesetzt. Wir haben also ein Beispiel für die sprunghafte Wanderung 
einer ganzen Pflanzengesellschaft von fünf Gliedern auf eine Entfernung 
von wenigstens 40 km. 
; Auf den umliegenden Gehöften habe ich Erkundigungen über den 
Eigentümer und die Geschichte der Grube eingezogen. Darnach wurde 
sic beim Bau des zweiten Bahngeleises im Jahre 1907 angelegt und nach 
Vollendung des Umbaunes im Jahre 1909 wieder aufgelassen. Die Ein- 
wanderung fällt also zwischen 1909 und 1919. Der Standort liegt bei 
Niederbiegen, 6 km von Ravensburg. 
Im allgemeinen befindet sich die wilde Pflanzenwelt unseres Landes 
im Zustand des Gleichgewichts, Jede Art hält ihre Standorte mit 
Zähigkeit fest und behauptet sie gegen alle Andringlinge. Deshalb 
werden auch manche Seltenheiten innerhalb ihres Gebiets . plötzlich 
zahlreich, oder sie halten wenigstens alle günstigen Standorte besetzt. 
(Ganz ausgezeichnet zeigen dies die Alpen- und Wärmepflanzen des 
oberen Donautales, das die wertvollsten Kleinode unserer Flora be- 
herbergt. Jede geeignete Felsenritze wird dort von ihnen besetzt, so 
daß sich nicht zerstreute Standorte, sondern geschlossene Standorts- 
linien ausgebildet haben. Wenn aber auf gewaltsamem Wege, sei es 
durch die Tätigkeit des Menschen oder durch Naturkatastrophen, auf 
einer größeren Fläche die ganze alte Pflanzendecke vernichtet und der 
frische, unverwitterte Boden wieder dem Wettbewerb der Arten frei- 
gegeben wird, dann können auch Pflanzen aus größerer Entfernung 
cinwandern. Nur müssen sie frühzeitig genug erscheinen, bevor noch 
das hesiedelungsfähige Neuland vergeben ist.
	        
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