Full text: Die Baumeisterin Pallas/ Oder Der in Teutschland erstandene Palladius, Das ist: Des vortrefflich-Italiänischen Baumeisters Andreae Palladii Zwey Bücher Von der Bau-Kunst : Deren Erstes I. Von denen Materialien/ die zu dem Bauen insgemein gehören ... Das Zweyte tractiret I. Von denen Zierrathen der gemeinen Gebäue ... / Ins Teutsche nach dem Italiänischen übersetzet/ Mit ... dazu gehörigen Figuren erbaulich ausgerüstet/ und Zum erstenmal an den Tag gegeben/ Durch Georg Andreas Böcklern/ Archit. & Ingenieur

46 Das 1. Buch. -  Lap.Xxx, 
undnoch gehalten werden/ zu berichren/ damit der Liebhaber dieser Kunft/ mseinen Wey 
>en fich vor denselbigen hüte/und dann in anderer Leute Werc> diefelbigen erkennen könne, 
Sagederohalben/demnach die Bau-Kunfst (wiedann alle andere Künste sind) eine Nac 
folgerin der Natur ist/ also leidet sie kein Ding / welches da fremd oder fern von demjeni, 
genist/sodie Natur mitbringet.Dannenhero sehen wir/daß diealteBaumeister/welchedie 
Gebäue/ so damals von Holt gemacht wurden/vonStein anfiengen zu machen und seßen/ 
daß die Seulen an ihren Spißen/oder dem obern Theil/nicht so dick waren/als am untern/ 
undnahmen das Exempel von den Bäumen/welcheallesammt gegen der Spiße schwang, 
barer sind/als an dem Stam/und bey denWürßkeln/dieweil es sehr vernünftig/daß dieDiy- 
ge/auf welche ein grösser Lastkommet/oder stehet/sich drücken , Als setztemsie die Bases oder 
Fuß unter dieSeulen/welche init ihren Stäbe und Hohlkehlen/wegen deß daraufstehenden 
Lasts/scheinen als wann sieniedergedrucket worden? also brachten sieauch an den Cornice 
oder Haubtgesims die Trigliphen/so die Köyffe des Gebälcks bedeuten/die Modiglioni oder 
Kragsteine/und Dencelli die Kälberzähne/welche die Ende derselben Bale>en und Sparren) 
die.ausdas: Gebälc> undzu Haltung deß Dachs. angeleget werden/vorbilden jollen. Eben 
dasselbigewird man in allen andern Theilen erkehen/wannman fie anders rec<htbetrachtet, 
Weil dann deme also/so ist diejenige Manier zu bauen scheltens werth/ welche/ indeme 
ßevon dem/das die Natur vonihren geschaffenen Dingen uns lehret/abweichet / und.von 
derselben Inhalt/welche manindenen vonihren geschaffenen Dingenspüret/daß sieschier 
zueinerandern Natur wird/den warhafften guten undschönen Weg deß Bauens verlässet, 
Derohalben sol] man nicht anstatt der Seulen oder Pfeiler welcheirgend einen Lastzu trags 
genhaben/und denselbigen in die-Höhe halten sollen/Briesoder Zettelzuseten/welche man 
Cartoccinennet/welches sonderliche zusammen gerollte Dingesind / die von den Bauver- 
ständigen. heßlich anzuschen/und demjenigen/dersichnichtdraufverstiehet/ vielmehr Confu- 
sion und Unrichtigkeit / als einen Lust verursachen / auch verrichten fie weiters nichts/ als 
dem Bauherrn Vermehrung des Unkostens. | 
Ebener massen soll man auch aus-demCornice, dieser Cartoeci oderZettel/feinen heraus 
machen wachsen/dieweil vonnöthen ist? daßalle Theil der Cornice zu irgend einer Werrich» 
tunggemacht/und gleichsam wie Anzeigerinnen deßjenigen seynd/ welches man sehen wür« 
de / „wann das Werc>k von Hol wäre; Und weil es sich geziemet / daßzu Tragungeines 
schwehren Lastsetwas erfordert wird/so hart und geschickt seye / dem Last zu widerstehen/ 
alsistfein Zweifel/daß dergleichen Carcocci undZettelinicht ganßund'gar überflüssig seyen/ 
dan es unmöglich ist/daß ein Balck.dasjenige verrichte/was sie uns vor Augen stellen/und 
weil man sie fingiretunddichtet/ daß sie zarkund weichseynd/so weißichnichtaus was Ur- 
sachen man sie unter sosche hart undschwere Dinge sezenfönne? Aber dasjenige/an welchem 
meinesErachtens ammeisten gelegen/ist derMißbrauch/daß man die Gibelund Fronrislpicia 
der Thüuren und Fenster/ und deren Gänge oder Gallerien / in der Mitte.bricht und thei- 
jet/in Betrachtung/daß sie gemachet seynd/damit den Abschuß deß Wassers. / vom Regen 
aufden Gebäuen anzudeuten und anzuzeigen 3 auch habendie ersten Baumeister/ als die 
vonder Nothdurfft selbst gelehrt haben/sie darum inder Mitten so hoch gemacht/ die Jnn- 
wohner/und andere/dieim Haus aus-und eingehen/vom Regen/ Schneyen und Hageln 
zu-beschützen. Derohalben weiß ich nicht/ob etwas der naturlichen Vernunfft mehr kön- 
nezuwider gemacht werden/als das Theilzuzerstücken/ welches fingirtoder gedichtet ist, 
Und obwolen die Veränderungen und.neue Sachen jedermann gefallen sollen / so soll 
doch dasselbige den Prxceptis oder Geboten der Kunst / noc< demjenigen nicht zu wider ge? 
schehen/ welches uns die Vernunfst beweißlich darthut/dannenhero man sschet/ daß anch 
die Alitenvariirt und geändert haben./ gleichwol seynd ste von den general- oder allgemei- 
nen und nothwendigenReguln der Kunstnicht abgewichen/wiein meinen Büchern von der 
Antiquität wird zu sehen seyn. Die Ausladung der Cornicien oder Haupt-Gesimse/und 
anderer Zierrathen/ anbelangend/ ists kein geringer Mißbrauch dieselbige so zu machen/ 
daß sicallzuweit hervor ragen; Dann wann sie dißfalls die gebübrendeProportion über, 
treffen/bevorab wann sie in eineinverschlossenen Ort seynd/ denselben eng und unansehn- 
lich machen/ so erschrecken sie diejenige/so darunterstehen ; allermassen esscheinet / als ob 
sie einem alle Augenblick auf den Kopfffallen wolten. Es istauch nicht weniger zu fliehen 
die Cornice oder Haubt-Gesims so zu machen / daß sie mit den Seulen keine Proportion 
habe; Dann wann auf kicine Seulengroffe Cornicien / oder auf grosse Seiiscn fleine 
ornicietn
	        

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