Stuttgarts Landschaft,
Und wie elegisch giebt der Amerikaner R, H anschke,
der im Sommer 1900 Stuttgart besucht und mit seinem hiesigen
Freund über die Höhen einen Rundgang gemacht hatte, in
der „Freien Presse von Texas“ seinen Gefühlen liebevoller
Rückerinnerung Ausdruck: „Stuttgart ist als Stadt mit seiner
unvergleichlich schönen Lage und seinen reichen Villenvierteln
ein Juwel — das wäre die Stadt, um sich mit einem aus-
reichenden Einkommen für den Rest des Lebens zurückzu-
ziehen. Schöner Traum, der sich niemals erfüllen lassen
wird! Also begnügt man sich damit, wenigstens einige Tage
hier ausgeruht und die Natur genossen zu haben.“
Im Gegensatz zu den früheren Jahrhunderten, als die
Hauptpostlinien in Cannstatt Zzusammentrafen und an der
Landeshauptstadt vorbeiführten, hat das Zeitalter des Dampfs
und der Elektrizität aus Stuttgart einen Hauptknotenpunkt
gestaltet; allerdings unter ganz anderen Verhältnissen und
mit volkswirtschaftlich bedeutsameren Folgen. Durch Stutt-
gart ziehen mehrere .kontinentale Hauptverkehrstrassen: von
West nach Ost-die ‚Orientexpresslinie Paris—Konstantinopel ;
von Süd nach:Nordost die Linie Rom—Stuttgart—Berlin oder
in nord westlicher :Abbiegung- dem Rheinland und weiterhin
einem Hafenplatz an ‚der Nordsee entgegen zur Einschiffung
über den Kanal oder nach überseeischen Gestaden.
Von ‚drei Seiten sind die ‚Schienenwege zu dem jetzt
rings von weitläufigen Stadtteilen umschlossenen Bahnhof,
gewissermassen bis in das Herz der Stadt, hereingeleitet.
Auf jeder Strecke eröffnet sich dem Reisenden eine neue An-
sicht der Stadt.
Einen reizvollen Ueberblick über die ganze Gegend ge-
niesst der von Waiblin gen herkommende Reisende , 80
lange die Bahn vom höher liegenden Gelände der linken
Remsthalseite in weitem Bogen allmählich zur Thalsohle des
Neckars sich senkt; der Standort gewährt ihm auch Ein-
blick in das weiter zurückliegende Thalrund, aus dessen
weitem Becken die schwäbische Residenz ihre Panorama-
Strassen mehr und mehr an den Berghängen empordrängt.
Bereits sind die zahlreichen Vorsprünge des reichgegliederten
Hügelkranzes mit Villen und Sommerhäusern geschmückt.
Ueber den Rebbergen nimmt prächtigster Wald den Anfang,
der von hier an in herrlicher Fülle mit geringer Unter-
brechung stundenweit gegen Südwest sich ausdehnt und mit
jedem Luftzug der untenliegenden Stadt gesundheitbringend
sein Ozon zuhaucht. Die Waldwipfel am Horizont nach
Westen überragen rechts und links der Thalkluft bei Deger-
loch und auf dem Hasenberg schlanke Aussichtstürme, zu-
gleich weitum erkennbare Landmarken. Mit der allmäh-
lichen Einschwenkung zur Neckarthallinie verschwinden die