Das Königliche Katharinenstift zu Stuttgart.
I. Vorbilder.
Fenelon, der berühmte Erzieher der Enkel Ludwigs XIV.,
war um das Jahr 1680 von dem Erzbischof von Paris an die
Spitze eines Vereins gestellt worden, der aus jungen Damen der
höchsten Kreise bestand und sich die katholische Unterweisung
protestantischer Mädchen zur Aufgabe gestellt hatte. Er blieb
zehn Jahre in dieser Stellung und war während dieser Zeit für
Lehrerinnen und Schülerinnen ein mild ausgleichender Berater,
ein väterlicher Freund und Führer. Eine Frucht dieser Wirk-
samkeit war seine oft gedruckte und wiederholt auch in deutscher
Sprache erschienene Schrift „Erziehung der Mädchen“, (Education
des filles par Monsieur l’abbe de Fenelon. Paris 1687. Avec
privilege du Roy.) In Schmids Encyklopädie wird Bd. IT S. 427
von dieser Schrift gesagt, sie habe ihre Mängel und Lücken, aber
sie sei voll feiner Beobachtungen über das kindliche Leben, voll
wirksamer Vorschriften für die Bildung des Geistes und Herzens
und als einer der ersten Versuche, die Aufgaben und Eigentüm-
lichkeiten der weiblichen Erziehung im Zusammenhang . darzu-
stellen, immerhin als eine sehr bedeutende Leistung zu schätzen.
Fenelon wies zuerst auf den Zusammenhang hin, der zwischen
dem von den Frauen abhängenden Wohlstand oder Zerfall einer
Familie und dem Wohlstand oder Zerfall des ganzen Staates be-
steht, und deshalb schrieb er den Pflichten, welche die Frauen
in der Familie zu erfüllen haben, eine grosse soziale Bedeutung
zu. Eine gründliche Bildung aber hielt er für die Frauen für
wichtig und notwendig, damit sie ihre Aufgabe, als Grundlage
des menschlichen Lebens zu dienen, in der rechten Weise er-
füllen könnten.