Als Frau von Varnhüler im Jahr 1854 sich durch ihren
leidenden Zustand genötigt sah, ihre Stelle niederzulegen, er-
nannte König Wilhelm I. zur Vorsteherin der Pension Fräulein
Luise Theiss, aus Marburg gehürtig, die sich eine Reihe von
‚Jahren hindurch in der dem Königshause schr nahe stehenden
v. Mauclerschen Familie als Erzieherin bewährt hatte, Sechs-
undzwanzig Jahre lang stand sie in grosser Pflichttreue der
Pension vor, die sich namentlich in den siehziger Jahren eines
so grossen Vertrauens zu erfreuen hatte, dass die Zahl der Zög-
linge, die auf etwa 380 berechnet war, eine Zeit lang über 40 betrug.
Im ‚Jahr 1880 legte Fräulein "Theiss aus Gesundheitsrück-
sichten ihre Stelle nicder, an welche nun die verwitwete Frei-
frau von Soden-Holzsechuher berufen wurde, die als frühere
Schülerin des Katharinenstifts und durch ihre eigenen Töchter
der Anstalt längst nahe stand und nun ganz in die Fussstapfen
der edlen Frau v. Varnbüler trat.
Bis zum Jahre 1894 waltete Freifrau v. Soden in gewissen-
hafter Treue und grosser Hingehung ihres Amtes, und als nach
dem Tode König Karls und der Königin Olga und nach dem
Rücktritt des Prälaten v. Müller auch sie um die Enthebung von
ihrer Stelle bat, übertrugen Ihre Majestäten dieselbe der ver-
witweten Freifrau Hiller von Gärtringen. Mit unermüd-
lichem Eifer, der sich hesonders auch auf die Aufrechthaltung
der äusseren Ordnung in Pension und Lehranstalt erstreckt,
waltet sie ihres Amtes und ist mit bestem Erfolg hestreht, den
guten Ruf, dessen sich die Pension seit 80 Jahren im In- und
Auslande erfreut. aufrecht zu erhalten.
V. Das Katharinenstift und
das höhere Lehrerinnenseminar im Jahre 1898.
Als die Königin Katharina vor achtzig Jahren das Katha-
rinenstift eröffnete, da war dies in Württemberg, wo seit Jahr-
hunderten nur der Unterricht und die Ausbildung der Söhne ge-
fördert worden war, der erste sichere Tritt, um auch den Unter-
richt und die Bildung der Töchter auf cine höhere Stufe zu heben.
Die zahlreichen grösseren und kleineren Anstalten, die seitdem
in Stuttgart und in allen grösseren Städten des Landes ent-
standen sind, liefern den besten Beweis, dass die Königin Katha-
rina cin wirkliches Bedürfnis ihrer Zeit erkannt hatte, dass sie
mit ihrer Anstalt einem allgemeinen Wunsch und Bedürfnis ent-
gegengekommen war.