Der technische Geist des neunzehnten Jahrhunderts hat in seiner Entfaltung
die neuen „großen“ Baustoffe: das Eisen und den Eisenbeton gebracht. Er
hat sie konstruktiv wie wissenschaftlich bemeistert. Ihre ursprüngliche An-
wendung, vor allem für die Industriebauten, zeigte alle Merkmale eines über-
stürzten und gewaltsam wuchernden Wachstums. Der mit mehr Ruhe entfaltete
Bau großer Brücken und Hallen erwies jedoch schon damals die neuen Ge-
staltungsmöglichkeiten und die Tatsache der bisherigen Versäumnis.
Heute sind die neuen Baustoffe ernsthaft in den Bereich bewußter baulicher
Gestaltung hineingerückt. Sie zwingen zur Gestaltung, umso mehr, als sie
ihrem Wesen nach gleichsam als Ausdrucksmittel der Wendung des modernen
Menschen zur Sachlichkeit, d. h. zur planmäßigen Zusammenfassung und
Ökonomie seiner Kräfte und Mittel empfunden werden.
Die Bestrebungen zur Baugestaltung im allgemeinen haben in ihren prominen-
ten Trägern bisher verschiedene Wege eingeschlagen, die sich äußerlich aus dem
verschiedenen Standpunkt bei der Gestaltung der neuen Baustoffe entwickeln.
Allgemein grundlegend ist wohl für die Gestaltung der Sinn und der Aus-
druck des geplanten Bauwerkes. Der Sinn fordert die Zweckmäßigkeit seiner
Form und Gliederung und die Ökonomie der im Verhältnis zu dem Erstrebten
ı1otwendigen und hinreichenden Mittel.
Demgegenüber ist der Ausdruck zunächst bedingt durch die bei vorgesehenen
Mitteln und Zwecken erreichbaren Proportionen und durch die materialgerechte
Formung und Oberflächenwirkung der Baustoffe. Innerhalb dieser Bedingungen
spiegelt sich die freie Ideenwelt des Gestalters wider.
Ebenso allgemein kann gesagt werden, daß, wie jedes gestaltete Werk, das
Bauwerk im besten Sinn des Wortes nur durch eine innige Verschmelzung
beider Gestaltungsmotive zustande kommt.
Hier trennen sich die Wege.
Es ist bis zu einem gewissen Grade möglich, die dem Sinn neuzeitlicher
Bauwerke entsprechende Ökonomie der Mittel, praktisch gesprochen: Eisen
und Eisenbeton, im einzelnen konstruktiv anzuwenden, ohne die für den Aus-
druck des Ganzen maßgebende Struktur des Baues durch diese Ökonomie
zu beeinflussen. Die ökonomischen Baustoffe sind dann gar nicht Baumittel
im eigentlichen Sinn wie der Stein griechischer Tempel und römischer Aquä-
dukte oder das Eisen großer Brückenbauten,
Sie werden vielmehr als untergeordnete Hilfsmittel für ein nur auf
den gewollten Ausdruck des Ganzen gerichtetes Bauen verwendet.
Diese Herrschaft des Ausdrucksprinzips führt jedoch nicht zu einer voll-
kommenen Vereinigung von Sinn und Ausdruck. Sie vergewaltigt fast immer die
Stortz, Geschoßbauten in Eisenbeton