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etten oder Seilen aufgezogen und niedergelassen werden konnte. Er
tand vor dem Eingangstor und rief den Torwart oder Pförtner
urch einen Stoß ins Horn, durch einen Schlag mit einem Klopfring oder
zurch einen Schlag auf eine Schalltafel herbei, daß er ihm öffne. Doch
der Pförtner prüfte jeden genau, ob er Freund oder Feind sei, denn das
Tor haben, hieß beinahe die Burg haben. Daher war das Tor auch be—
'onders stark befestigt; es lag gewöhnlich in einem starken Turm, oder
es war von zwei Türmen flankiert, so daß es als eine Burg für sich er—
schien. Der Wanderer trat ein und gelangte in die Vorburg, d. h. in
den von der äußeren Ringmauer umschlossenen Raum. Gewöhnlich
var die Burg so gebaut, daß der Feind mit der Erstürmung der ersten
Mauer noch nicht Sieger war, daß er nun vielmehr erst noch einen
harten Kampf um die eigentliche Burg bestehen mußte, in der der Herr
wohnte und seine Schätze bewahrte. Diese war durch tiefe Gräben,
hohe starke Mauern und feste Türme und Tore gedeckt. In der Vor—
purg lagen die Wirtschaftsgebäude, Scheunen, Vieh- und Pferdeställe
und die Wohnungen für die Knechte und Dienstleute; und war ihr
Raum groß und breit, so fand man dort auch einen Garten oder gar
einen Turnierplatz. Von der Vorburg gelangte der Wanderer durch
das innere Burgtor in den eigentlichen Burghof ssiehe Bild S. 144.
Hier fiel ihm sofort ein gewaltiger, starker, hoher Turm ins Auge, der
Burgfried, in älterer Zeit viereckig, später kreisrund erbaut. Erst wenn
der Burgfried erstürmt war, galt die Burg verloren; denn er war das
etzte und stärkste Bollwerk. Seine 3— 4m dicken Mauern ragten hoch in die
Luft, vier Stock—
werke füllten sei—
ien Raum, 6 bis
12m über dem
Burghof lag der
Fingang, und die—
er war nur auf
chwanker Leiter
oder schmaler
Holztreppe zu er—⸗
angen. Das un—
ere Stockwerk,
on der Sohle des
Turmes bis zur
ZSohle der Ein—
Jangstür, war das
Burgverlies,
in finsterer, feuch⸗
er und moderiger
Raum, in den
chwere Verbre—
her oder Gefan—
gene, die hohes
Lösegeld zahlen
ollten, geworfen
vurden. Die Ge—
angenen wurden
durch eine manns—
hreite Offnung an
einem Seil hin—
abgelassen. Ihr
Los war entsetz—
ich: Luft und Licht
konnten nur durch
schmale Luken der
Mauer zu ihnen
dringen; sie at—
meten die Pest
hres Unrates;
Schlangen, Krö—
en und Unge—
ziefer aller Art
varen ihre Ge—
nossen; mit einem
Stück Schwarz-
orot und einem
Krug Wasser fris—
eten sie ihr elendes Leben. Über ihnen aber lagen im zweiten und
dritten Stockwerk des Burgfrieds weite Vorratskammern, gefüllt mit Speise
ind Trank für die Zeiten langer Belagerung, Rüst- und Schatzkammern.
ind im obersten Stock wohnte der Burgwächter, der von der Zinne
es Turmes aus Tag und Nacht Wache hielt und durch Hornsignale von
illem Kunde gab, was dem Burgherrn wissenswert war. Unmittelbar
neben dem Burgfried lag in der Regel der tiefe Ziehbrunnen, beschattet
non der Burglinde. Vom Burghofe aus schritt der Wanderer eine
reite Freitreppe hinauf in den Palas (Palatium), die Wohnung des
Burgherrn. Die unteren Räume des Palas waren Speise- und Vor—
satskammern und Küchen, in den oberen lagen die Empfangs- und
WVohnzimmer. Von der Freitreppe aus schritt man durch einen langen
dorridor, Laubengang genannt, nach dem großen Rittersaale, wo
ser Burgherr seine Gäste empfing und bewirtete. In festloser Zeit
var der Saal recht leer; nur der buntgetäfelte Fußboden aus Marmor
der Tonfliesen, die reichgegliederte Balkendecke, die bemalten oder
eppichgeschmückten Wände, Bänke ringsherum und in den Nischen der
Fenster zeigten dem Wanderer, daß er im vornehmsten Raume der Burg
var. Anders in festlicher Zeit; dann saßen an reichbesetzten Tischen
Ritter und Edelfrauen in fröhlichem Gespräch, an den Wänden hingen
die Schilde, Lanzen und Schwerter des Wirtes und seiner Gäste, und
der Saal ertönte laut von frohem Lachen und Pfeifen und Geigen.
Neben dem Saal lag in vielen Burgen die Kapelle, über ihr befanden
ich die Wohnräume der Familie des Herrn, die Kemenaten, die
Echlafzimmer für
Herrschaft und
Gäste und das
Gemach der Her—
rin, die Kemenate
im engeren Sinn
ssiehe BildZ. 145.
Fast in jeder Ke—
menate sah man
Truhen für Klei—
der und Kostbar—
keiten, Tische,
Stühle und als
kostbarstes Mö—
hel ein großes,
hreites Himmel—
dvett, davor einen
veichen Teppich,
eine Bank und
einen Schemel. In
der Frauenkeme—
nate bemerkte man
außerdem noch
Kästen für
Schmuck, Putzund
weibliche Hand—
arbeiten, Schach—
und Damenbret—
ter für die Unter—
haltung, einige
Gebet- und Lie—
derbücher, Sing—
vögel und wohl
auch einen Papa—
gei. Ein Wasch—
rtisch war aber
nirgend zu er—
blicken; die Diener
gossen den Herr—
schaften, sobald
diese aufgestanden
waren, aus Kan—
nen über einem
Becken etwas
Wasser über die
hände, und das
genügte zunächst;
ine Wasserbura. Nach einer Oriainalzeichnung von (B. Bouernfeinng