Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

Luther ssiehe Einschaltbild) wie ein Gewittersturm herein und stürzte 
)as morsche Werk. Über den Trümmern aber wehte ein neuer Geist, 
der Geist der Freiheit, und auf dem festeren und reineren Grunde 
der heiligen Schrift wuchs ein neues Haus empor.. 
Luther und die Bibel. Welch ein Unterschied zwischen seinem tiefen 
ind leuchtenden Blick und dem 
Auge jener Scholastiker! (Siehe 
Bilder S. 206. Was wäre aber 
nuch er, was sein Werk ohne die 
Bibel geworden! Im Jahre 
1505 war der einst so hurtige 
ind fröhliche zweiundzwanzig— 
ährige Gesell ins Augustiner— 
loster zu Erfurt eingetreten. 
Was er dort suchte, war das 
Heil und die Gerecechtigkeit vor 
Hott. „Wie kann ich fromm 
verden, wie kann ich einen 
znädigen Gott kriegen?“ hatte 
ein Herz in friedlosem Ton 
mmer vernehmbarer gefragt, 
und nach den Lehren der Kirche 
onnte die Antwort nicht zwei— 
elhaft sein. „Du mußt ein 
Mönch werden, du mußt den 
Versuchungen der Welt ent— 
liehen, um in der Stille der 
Klosterzelle als ein neuer Mensch 
zu leben.“ Das war der im— 
mer wiederkehrende Schlußsatz 
seiner Überlegungen gewesen. 
Und er wurde „ein Mönch 
»hne Klage; er tat es im 
Lesen, Disputieren, Fasten und 
Beten allen weit zuvor, er 
quälte sich mit Kasteien, Wachen 
und Frieren, er zermarterte 
ind zerplagte seinen Leib“. 
A.E. Berger, Martin Luther.) 
Hoffte er doch, auf diese Weise 
die Gotteskindschaft zu errin— 
gen; denn so lehrte es ja die 
Kirche. Aber der Frieden wollte 
nicht kommen, sondern immer 
tiefer bohrte sich der Stachel 
des Schuldgefühls. Üüberall 
iah er Sünde, überall das 
Bild des räüchenden Gottes. 
In solcher Mühsal studierte er 
eifrig die Scholastiker; denn 
er wollte klar werden über 
ein Verhältnis zu Gott; aber 
iie ließen ihn im Dunkel. 
„Gottes Gnade ist für den 
Berechten wohl ein Wahr— 
scheinliches, aber in Wirklich— 
keit ein völlig Ungewisses,“ 
gaben sie zur Antwort. Und 
war er denn gerecht? — Da 
drängte ihn ein unbestimmtes 
Befühl zur Bibel hin, die ihm 
schon früher einmal, als er 
noch Student der Rechte war, 
unverhofft Erquickung bereitet 
hatte. Doch auch sie brachte 
hmn vorerst nicht das erlösende 
Licht, weil er sie gewissermaßen noch mit verbundenen Augen las. 
Er sah in ihr vor allem das furchtbare Wort: „Ich, der Herr, dein 
Bott, bin ein eifriger Gott!“ oder fand nur das, was „das Papst— 
tum hineingelesen hatte“. Endlich nahm ihm sein gelehrter Ordens— 
vikar, der milde Johann v. Staupitz, die Binde von den Augen. 
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„Gott ist gütig und barmherzig; denn er hat seinen eingeborenen Zohn 
ür uns dahingegeben, der nicht gekommen ist um der Gerechten, son— 
dern um der Sünder willen; nicht wir können durch Opfer und ver— 
ienstliche Werke Vergebung unserer Sünden erringen, sondern diese 
zergebung ist durch Christum uns erworben worden. Und darum hat 
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nuch die Buße des Menschen für seine Sünden nicht zu beginnen mit 
er Furcht vor der Strafe, sondern mit der Liebe zu Gott, dessen 
Hnade die Sünder gerecht macht in Christo.“ So etwa redete er 
reundlich zu Luther. Da fühlte dieser plötzlich den Frieden, den er 
o lange ersehnt, und entdeckte nun in der heiligen Schrift einen Troĩt
	        
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