Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

serrn, Kaiser Rudolf II., freie Religionsübung zugesichert erhalten. 
In der darüber ausgestellten Urkunde, dem sogenannten „Majestäts— 
hriefe“, hieß es z. B.: „Keine der beiden in Böhmen vorhandenen 
Religionen soll die Anhänger der anderen des Glaubens wegen schänden 
oder lästern, sondern beide sollen verbunden sein und bleiben. Die drei 
evangelischen Stände, sowohl der Herren- und Ritterstand als auch die 
Städte, sollen die Religion geraum und frei an allen und jeden Orten 
reiben und üben, bei ihrem Glauben und Religion, Priesterschaft und 
Kirchenordnung bis zu gänzlicher, einhelliger Vergleichung wegen der 
Religion im H. R. Reiche gelassen werden. Im Fall jemand aus den 
drei evangelischen Ständen über die Kirchen und Gotteshäuser, deren 
ie allbereits im Besitz sind und die ihnen zuvor zuständig, es sei in 
Städten, Mürkten, Dörfern oder anderswo, noch mehr Gotteshäuser 
und Kirchen zum Gottesdienst oder auch Schulen zum Unterrichte der 
Jugend aufbauen lassen wollte, soll solches sowohl dem Herren- und 
Ritterstande als auch den Städten samt und sonders jederzeit frei 
tehen ohne allermännigliches Verhindern.“ Zugleich mit dem Ma— 
estätsbrief wurde noch ein „Vergleich“ vereinbart, wonach auch die 
Finwohner königlicher Güter das Recht protestantischen Kirchenbaues 
jaben sollten. Die verschiedene Auslegung dieses Zugeständnisses gab 
»ald Anlaß zu Streitigkeiten. Die Protestanten verstanden unter 
öniglichen Gütern auch die geistlichen Güter, da sie zum „Krongut“ 
gehörten; die Katholiken aber wollten diese Deutung nicht,gelten lassen. 
Auf Grund der letzteren Auffassung hatte der Kaiser schon im Jahre 1611 
nfolge einer Beschwerde des Abtes von Braunau einen dort be— 
jonnenen protestantischen Kirchenbau verboten, und ähnlich ließ der 
Erzbischoff von Prag in Klostergrab, das zu seinem Sprengel ge— 
hörte, eine neu erbaute protestantische Kirche schließen. Auch sonst hatte 
ich die kaiserliche Regierung unzweifelhaft manche Verletzung des Ma— 
estätsbriefes erlaubt und so die protestantische Bevölkerung in berech— 
igte Aufregung versetzt. Die Gärung wuchs, als Ferdinand von 
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Steiermark zum böhmischen König ersehen wurde und den Kaiser 
Natthias zu noch schärserem Vorgehen gegen die Protestanten an— 
pornte. Mußte man doch jest gänzliche Vernichtung des evangelischen 
B»laubens befürchten. Als alle Vorstellungen bei den kaiserlichen Statt— 
naltern nichts fruchteten, als der Erzbischof von Prag die Kirche in 
dlostergrab sogar niederreißen ließ, sandten die protestantischen Stände, 
in ihrer Spitze Graf Heinrich Matthias v. Thurn, eine Be— 
hwerdeschrift an den Kaiser. Aber die Antwort enthielt nichts als 
Lorwürfe und Drohungen, so daß man annahm, sie sei nicht in der 
aiserlichen Kanzlei, sondern von den Prager Statthaltern versaßt. 
Darum richtete sich der ganze Haß gegen diese. Am 23. Mai 1618 
rschienen bewaffnete protestantische Edelleute im Prager Schloß, 
zefolgt von einer großen Volksmenge; sie drangen ins Beratungs— 
immer der Regierung ein und stürzten nach einer kurzen, aber 
rregten Verhandlung die besonders verhaßten Statthalter Martinis 
nnd Slawata samt ihrem Geheimschreiber Fabricius zum Fenster 
iinaus. Diese Gewalttat bezeichnet man als den letzten Anlaßz des 
Dreißigjührigen Krieges; denn nun setzten die Böhmen eine prote— 
santische Regierung von dreißig Mitgliedern ein, und so war ein Aus— 
lleich mit dem Kaiser außerordentlich erschwert; das Kriegsrad kam 
us Rollen; bald stand das ganze Land in offenem Aufruhr. 
An die Spitze der böhmischen Scharen stellte sich Graf Thurn. 
Zald erhielten sie Hilfe von der Union, die ihnen einige tausend Mann 
uter Graf Ernst v. Mansfeld schickte (ssiehe Bild S. 234235; 
wauch Schlesien schloß sich dem Aufstand an. Der Kampf begann 
och im Herbst desselben Jahres in den böhmisch-österreichischen Grenz— 
sebieten, anfänglich mit wechselndem Glück, mehr und mehr aber zu 
hunsten der Bbhmen. In diesen Wirren starb Kaiser Matthias, am 
O. März 1620, und ihm folgte der schon erwähnte Ferdinand von 
zteiermark, der gefürchtete Protestantensfeind. Seine Losung war na— 
irlich gewaltsame Unterdrückung des Aufstandes. Freilich stellten sich 
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A4 hosiad“ 60n Gemälde von Robert Forell. (Text S. 243) 
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