Full text: Bildersaal deutscher Geschichte

er Höfe zuschreiben, denn sie wurde auch durch andere Umstände gefördert;“! auch in den großen Städten begierige Aufnahme und verschwenderische 
.B.trug der junge Nachwuchs der wissenschaftlichen Welt nicht wenig Pilege sanden. Erst einem Sebastian Bach blieb es vorbehalten, die 
azu bei. Im 17. Jahrhundert wurde es fast allgemeine Sitte, daß eutsche Musik wieder diu Ehren zu bringen. — Das deutsche Volks. 
unge Leute nach Frankreich reisten, um sich dort französische Bildung hauspiel, das, wie wir gesehen haben, Hans Sachs auf den Weg 
ind Sprache anzueignen. Von dort brachten sie aber auch französische üustlerischer Entwicklung geführt hatte, verwilderte ebenfalls. Wohl 
Zitten und Manieren, Trachten und Moden, Torheiten und Laster jab es seit dem Ende des 16. Jahrhunderts auch in Deutschland Be— 
nit au die heimischen Universitäten, und die zu Hause gebliebenen ufsschauspieler oder „Komödianten“, meist allerlei verlorene Existenzen, 
ihmten ihnen nach. Die Zuchtlosigkeit mehrte sich noch dadurch, daß die sich unter Führung eines „Komödiantenmeisters“ ganz zunftgemäß 
nan immer häufiger adlige Junker 
nit reichen Geldmitteln an die 
Hochschulen schickte, wo sie sich dann 
reilich weniger durch Fleiß, als 
ielmehr durch „Prangen, Ban— 
ettieren und Schwelgen“ her— 
yorzutun bestrebten. Der deutsche 
Student hat von jeher die Nei— 
zung gehabt, sich schon durch seine 
Tracht vom Philister zu unter— 
cheiden; kein Wunder, daß er die 
Modetollheiten des 17. Jahrhun— 
derts ins Phantastische zu steigern 
wußte. Auf dem langen Haupt— 
haar trug er den breitkrempigen 
Filz mit wehender Feder, über 
dem Wams, das an den Ärmeln 
nit Schlitzpuffen versehen war, 
einen Spitzenkragen und einen 
rmelmantel. „Unsinnig weite 
Pluderhosen waren unter dem Knie 
sebunden, und die weiten Stulpen 
der bespornten Stiefel ließen die 
Vaden sehn.“ Die linke Hüfte 
iierte ein gewaltiger Stoßdegen, 
ind im Gurte desselben steckte ein 
„Stammbuch“; in der Rechten 
ührte der „Bursch“ einen derben 
Knotenstock, in der Linken die Ta— 
hakspfeife; das Rauchen war ja 
vährend des Krieges schnell hei— 
nisch geworden. Siehe Bild S. 259.) 
Wenn es möglich war, ließ man 
— 
wachsen. — Die Leichtfertigkeit und 
ittliche Laxheit steigerte sich an 
den Universitäten oft zu wüster 
Pöllerei und zügelloser Roheit. 
EFinen Beweis von vielen bildet 
die Art und Weise, wie ein „Pen— 
nal“, so hieß der angehende Hoch— 
ichüler (der „Fuchs“), zu einem Bur— 
schen gemacht wurde, die soge— 
iannte „Deposition“. Sie war 
eine arge Quälerei, ja mitunter 
lebensgefährliche Mißhandlung mit 
Kamm, Schere und Feile, mit Beil, 
Hobel und Säge, Ohrlöffel und 
Bartmesser von ungeschlachter 
Hröße, wodurch symbolisch das „Ab— 
un des groben vorstudentischen Menschen mit allen seinen Unarten 
und Ungeschliffenheiten dargestellt werden sollte“. (Siehe Bild S. 259.) 
Von ernstem Studium nach unsern heutigen Begriffen konnte kaum 
die Rede sein. Überhaupt hatte das furchtbare Elend des Krieges allem 
geistigen Streben für lange Zeit ein Ende bereitet; erst gegen Ende 
des 17. Jahrhunderts nahm die Wissenschaft wieder einen allgemeinen 
Aufschwung. Ebenso waren die Lebenskeime, die das 16. Jahrhundert 
in Literatur und Kunst gezeitigt hatte, erstickk worden. Im wesent— 
ichen atmete nur das schlichte Volkslied und das protestantische 
Kirchenlied wirkliche Poesie. Auf dem Gebiete der Tonkunst zeigte 
wiederum fast nur der Choralgesang wahrhaft deutsches Wesen, 
während im übrigen auch unsere Musik verwelscht war, vor allem 
zurch die leichtfertigen fremden Opern, die an den Höfen und bald 
Die Kurfürsten von Brandenburg. 
— Johannistage des Jahres 1412 zog in Brandenburg, der Haupt— 
FRAst stadt der Mark, ein stattlicher Herr ein, begleitet von einer Schar 
prächtiger Reisigen. Es war Friedrich VI. von Hohenzollern 
der tüchtige Burggraf von Nürnberg. Kaiser Sigismund hatte ihr 
ein Jahr vorher zu seinem Statthalter in der Mark ernannt und ihr 
mit ausgedehnten Rechten und Vollmachten versehen; denn ihm ver 
— — — — —— — 
Der Großke Kurfürst in der Schlacht bei Warschau. Nach einem Gemälde von W. Schuch. (Text S. 266 
Irganisierten; wohl hielt eine Anzahl von deutschen Höfen solche „Schau— 
pielerbanden“ ständig in ihren Diensten; aber ein wirklich „deutsches 
Schauspiel“ kam dadurch nicht zu stande. Man stellte besonders Possen 
der sogenannte „Mordspektakel“ dar, wobei der Hanswurst das große 
Vort führte, oder suchte mit der Oper im Spektakelmachen dadurch zu 
netteifern, daß man sogenannte „Haupt- und Staatsaktionen“ aufführte, 
ah. „rohgezimmerte und mit zotiger Komik versetzte Schauertrauerstücke 
us der biblischen und der profanen Sage und Geschichte, welche Stücke 
uter gliederverrenkendem Gebärdenspiel, wütendem Augenrollen und 
eftigem Zähneknirschen hergebrüllt wurden.“ (Siehe Bilder S. 260.) 
So zeigte sich nach dem Dreißigjährigen Kriege überall ein bedauer— 
cher Rückgang des deutschen Lebens und fast nirgends ein Ausblick 
uf Gesundung. Deutschland lag auch auf geistigem Gebiet in Schmach 
»ankte er vor allem seine Wahl zum Kaiser. Erschien doch auch Friedrich 
als der geeignete Mann, die verfallene Brandenburger Mark ihrer 
Bestimmung, gegen Nordosten ein Schutzwall des Deutschen Reiches zu 
sein, kraftvoll zurückzugeben. Der Kaiser sah sein Vertrauen gerecht— 
fertigt, und darum verlieh er durch Urkunde vom 30. April 1415 Friedrich 
und seinen Erben die Mark mit der Kurwürde und dem Erzkämmerer— 
amte, allerdings unter dem damals wohl üblichen, aber bedeutungslosen 
Vorbehalt, Land und Würde gegen Zahlung von 400000 Goldgulder 
wieder einzulösen. Am 18. April 1417 sfand dann zu Konstanz die feier 
liche Belehnung statt. So wurde in der Mark Brandenburg die Herr 
schaft eines Geschlechts begründet, das sich allmählich zu wunderbaren 
Kraft entfaltet und schließlich ganz Deutschland zu nie gesehener Größe 
mporgeführt hat. — In der Zeit, da Luther in Wittenberg wirkte, war 
Joachim J. Kurfürst der Mark. Sein Vater Johann Cicero, dem 
er kaum fünfzehnjährig in der Regierung folgte, hatte ihn auf dem 
Zterbebette ermahnt, „er solle Gott fürchten, Gerechtigkeit üben, seine 
Antertanen schützen und dem Adel den Zaum nicht zu lang werden 
assen“. Diesem Rate getreu, wandte er seine Aufmerksamkeit vor— 
wiegend den inneren Angelegenheiten seines Landes zu und suchte 
namentlich seine landesherrliche Gewalt zu besestigen. Das brachte ihn 
ber bald in feindlichen Gegensatz zu dem Adel; denn dieser fuhr trotz 
aller Landfriedensgebote fort, sich 
gegenseitig zu befehden, den Bür— 
ger und Bauer zu bedrücken, ja 
ogar durch Wegelagerei von den 
Faufleuten einen angeblich „ihm 
zgebührenden Anteil an dem Han— 
delsgewinne“ zu erpressen. Solchem 
Treiben trat Joachim tros seiner 
Jugend mit größter Strenge ent— 
gegen. Die Burgen der adligen 
Friedensbrecher wurden erobert, 
iese selbst gefangen genommen 
ind zum Teil gehenkt oder ent— 
sauptet. Als man ihm deswegen 
Korstellung machte, erwiderte er: 
„Adliges Blut habe ich nicht ver— 
jossen, sondern Schelme und Mör— 
zer nach Verdienst gestraft.“ Selbst 
en dem schuldigen Freund übte er 
trenge Gerechtigkeit. (Siehe Bild 
S. 261. Nachdem so Ordnung im 
Lande geschaffen war, suchte Joa— 
him das Wohl seiner Untertanen 
auch auf geistigem Gebiete zu för— 
dern. Zum Beispiel brachte er die 
chon von seinem Vater vorberei— 
ete Gründung der Universität 
Frankfurt a. O. im Jahre 1506 
zur Ausführung und gestaltete den 
bersten Gerichtshof, das Kammer— 
gericht zu Berlin, zeitgemäß um. 
Durch beide Massnahmen wollte er 
zesonders dem Studium der Theo— 
ogie und des römischen Rechts 
ieue Anregung geben, da er selbst 
ein Freund der gelehrten huma— 
ristischen Bildung war. Dennoch 
tand der edle Fürst der durch 
Luther hervorgerufenen religiösen 
Bewegung von vornherein feind— 
lich gegenüber. Wohl sah auch er 
mit Bedauern die mancherlei Schä— 
den auf kirchlichem Gebiet, hielt 
aber nur die Kirche in ihrer Ge— 
samtheit für berechtigt, Neuerungen 
vorzunehmen. Auch war er Luther 
persönlich nicht wohl gesinnt; er 
zürnte ihm wegen des Ablaßstreites 
gegen Erzbischof Albrecht von 
Mainz, seinen Bruder, und machte 
yn für die Schrecken des Bauernkrieges mit verantwortlich. Mit allen 
Mitteln suchte er deshalb die Verbreitung der Reformation zu verhindern, 
bgleich sogar seine Gemahlin Elisabeth ihr heimlich anhing, und 
serharrte in solchem Widerstande bis zu seinem Tode, der am 
11. Juli 1535 erfolgte. — Große Geistesbewegungen lassen sich aber 
nuf die Dauer nicht aufhalten. Diese Wahrheit zeigte sich auch in 
Zrandenburg. Joachims Söhne und Nachfolger, Joachim II. und 
Johann, konnten dem Verlangen ihrer Untertanen nach Einführung 
er Resormation nicht mehr lange widerstehen; Johann öfsnete ihr seine 
Hhebiete schon im Jahre 1536, wurde zwei Jahre darauf selbst evan— 
jelisch und trat zugleich dem schmalkaldischen Bunde bei; Joachim be— 
sannte sich erst am 1. Noveniber 1539 zu Luthers Lehre und gab seinem 
ande im folgenden Frühjahr eine neue Kirchenordnung in evangelischem 
——
	        

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